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SOPHIA

Festhalten oder Loslassen?

SOPHIA

Robin Proper-Sheppard orientiert sich als Songwriter und Musiker ja stets an ähnlichen Inspirationsquellen: Seiner Rastlosigkeit als stetig wandernder Troubadour etwa, die ihn zuletzt nach Berlin verschlug, wo er sich ein eigenes Studio in Kreuzberg einrichtete. Oder seine Selbstzweifel, die zur Triebfeder für seine selbstkritischen, autotherapeutischen Lyrics werden. Und auf der musikalischen Seite ist es die Vorliebe für dramatisch/dystopische Sounddesigns und melancholisch depressive Grundstimmungen. Alles Dinge also, die an keinen bestimmten Zeitrahmen gebunden sind. Insofern machte es dann nicht viel aus, dass er mit guter Miene zum bösen Spiel die Veröffentlichung des neuen Sophia Albums „Holding On / Letting Go“ wegen Corona um ein paar Monate verschieben musste – auch wenn eigentlich alles fertig gewesen und sogar schon eine Tour gebucht worden war.

Auf dem neuen Album macht er sich nun Gedanken darüber, was es bedeutet, an etwas festzuhalten oder aber loszulassen.

„Das betrifft alle Bereiche“, erläutert Robin, „es kann dabei um eine Beziehung gehen – oder auch um Erinnerungen. Wir haben ja alle schon Verwandte oder Freunde verloren. Als zum Beispiel meine Mutter verstarb, veränderte das die Weise, in der ich auf das Leben im Allgemeinen blicke. Die Person, der ich im Leben am meisten bedeutete, war verschwunden. Für mich fühlte es sich aber dennoch so an, als sei sie noch bei mir. Ich denke, dass es in der menschlichen Natur liegt, an Erinnerungen – insbesondere von Beziehungen – festzuhalten; seien es nun schöne oder auch verletzende. Zu der Zeit, in der ich das neue Album schrieb, betrachtete ich alles irgendwie unter dem Aspekt des 'Festhaltens' oder 'Loslassens'.“ 
Musikalisch ist das neue Album bemerkenswert konsequent ausbalanciert. Waren bislang noch auf jeder Sophia Scheibe ausufernde musikalische Exzesse zu finden, so gibt es nun zwar stilistisch durchaus variantenreiche, aber gleich gewichtete Songs.

„Ich würde sagen, es gibt dieses Mal mehr Extreme“, schränkt Robin ein, „was daran liegt, dass wir dieses Mal einen volleren Bandsound haben, und deswegen die Stücke weniger transparent klingen.“

Und die Stücke mäandern auch nicht mehr so episch daher. Woran liegt das denn? „Nun – das mag mit meinem Alter zusammenhängen“, erläutert Robin, „aber ich hatte dieses Mal tatsächlich hunderte von Seiten mit Textideen angesammelt, aus denen ich dann versuchte, 8 Zeilen herauszukristallisieren, die das, was ich aussagen wollte, vermitteln konnten.“
Dabei entstand auch der Track „We See You (Taking Aim)“ - Robins erster wirklich politischer Song in dem er sich darüber aufregt, dass große Konzerne ein gewisses Maß an Kriminalität in Kauf nehmen, um höhere Profite erzielen zu können und sich die Verantwortlichen dabei der persönlichen Verantwortungen entziehen können, während die „kleinen Leute“ schon für geringe Vergehen hart bestraft werden.

„Ich konnte einfach nicht begreifen, dass diese Leute für ihre Taten nicht in der Weise belangt werden können, wie wir – die durchschnittlichen Leute. Nimm nur mal den Fall von George Floyd. Angesichts dessen, wie viel Falschgeld im Umlauf ist, ist es doch erschütternd, dass er jetzt vermutlich deswegen tot ist, weil er versucht hatte, mit einem falschen 20 Dollar Schein zu bezahlen – während auf der anderen Seite Leute, die offensichtlich das Leben anderer Menschen vernichten, frei herum laufen, weil sie von Unternehmensstrukturen geschützt werden, in denen Posten für Rechtsstreitigkeiten aufgrund kriminellen Verhaltens bereits einkalkuliert sind. Das macht mich so wütend, dass ich jetzt gerne meinen Computer-Bildschirm kaputt hauen möchte.“
Nun: Das macht aus Robin Proper-Sheppard zwar noch keinen Protestsänger, zeigt aber, dass er – neben dem musikalischen – auch das inhaltliche Spektrum gegenüber der letzten Sophia-Scheiben deutlich ausgeweitet hat.

Aktuelles Album:

Holding On / Letting Go (The Flower Shop Recordings / Cargo) VÖ: 21.08.



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