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QUICKSILVER

V.A.

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Sommer! Für meinen Geschmack gleich etwas zu viel davon, aber besser abends bei 28°C im Stadtpark sitzen, als bei 11° und Nieselregen. Da können die Kinder zwischen den Bäumen rumtoben und dabei z.B. "Von Monstern und Kissenschlachten" (Oettinger) hören. Die 15 Lieder dieser CD haben 3BERLIN eingespielt, das ist ein ziemlich professionelles MusikerTeam, das regelmäßig auch "Kissenkonzerte" abhält - Sängerin Diane Weigmann kennen einige Eltern vielleicht noch aus ihrer Zeit mit den Lemonbabies. Flotten Schritts geht’s von "Veggie-Reggae" bis zum väterlichem "Gute Nacht"-BlackMetal-Gebrüll quer durch den PopGemüseGarten. Angesichts des sicher nicht zu üppigen Budgets ist das Ganze auch recht ordentlich produziert und textlich auf jeden Fall dichter an den Kiddies als es Zuckowski et.al jemals waren. 4
Wenn derlei Kinderbelustigungsaktivitäten die Nerven der Erziehungsberechtigten über Gebühr in Anspruch genommen haben, finden diese vielleicht bei dem italienischen AmbientArtisten ALESSANDRO INCORVAIA Erholung. Der legt mit "It Emerged to Hold Me" (Shimmering Moods) ein zwar nicht wirklich überraschendes, in seiner schwebenden Schönheit aber doch sehr beruhigendes Album vor. Generiert mit Gitarren, Keys’n’Synths und anderen elektronischen Geräten entstanden die Stücke laut Info als Teil einer Therapie nach Depressionsschub und burn-out. Mit diesem Wissen hört man das übrigens sehr exklusiv verpackte Werk nochmal ganz anders. 4
Incorvaias Landsmann GIOVANNI DAL MONTE legt zumindest für’s artwork seiner 2CD "Anestetico" (SonicaBotanica) den Innenraum einer Barockkirche in Schutt und Asche; eine kurz behoste Touristen steht staunend in den Trümmern. Die musikalische "Narkose" ist der Intention des Künstlers nach gedacht "to anesthetize the wounds of the body and mind", wobei sich die Behandlung aufteilt: "Vol. 1: Neolitico" will mit seinen recht harschen, rhythmisch akzentuierten ElektroSounds die neue Steinzeit illustrieren, als die Dal Monte unsere Gegenwart (vielleicht gar nicht mal zu unrecht) empfindet, wogegen die sanftere, zwischen meditativer Avantgarde und Ambient pendelnde 2. CD "Evitico" als HeilMittel fungieren soll. Ich würde den Titel ja mit "Vermeiden" übersetzen und sehe deshalb nicht so recht den Zusammenhang zu Dal Montes Erläuterung: "from the mother of humanity in the Judeo-Christian tradition, the one who gives birth to life.", aber weder bin ich wirklich fit in Italienisch noch kenne ich mich sonderlich mit judeo-christlichen ReligioFeinheiten aus. Sagen wir mal "ambitioniertes Projekt" dazu. 3
Im ansonsten sehr konservativen DarkAmbient, den ORSON HENTSCHEL auf "Heavy Light" zelebriert, liegt bei allem verschliffenen Wohlklang auch eine so in diesem Genre eher unübliche latente Aggressivität. Zum Projekt gehört wohl auch noch eine "3-channel film installation" und eine "visual live-performance". Nicht uninteressant. 4
GARY MARLOWE durfte den Soundtrack zum Wim Wenders-Film "Everything Will Change" (beide Denovali) beisteuern. Den Film kenne ich (noch) nicht, die Musik ist allerdings sehr viel versprechend. Marlowe lernte schon als kleines Kind Klavierspielen (Info: "he is an official Steinway artist"), diese Liebe durchsetzt auch seine heutige, wenngleich deutlich elektronischer geprägte Arbeit. Die Wenders’sche Melancholie und Ruhe strömt auch aus dem Soundtrack, der vornehmlich mit analogen Instrumenten erzeugt wurde (darunter tatsächlich Sammlerstücke wie eine "Philicorda" (diese Heimorgel von Philips gilt als erste mit "automatic single finger chord accompaniment" - eine Erfindung mit z.T. schrecklichen Spätfolgen!) und analoge Schätzchen wie den Oberheim OB-8, aber das ist alles "nerd-talk". Ganz besonders gefällt mir die Widmung der CD: "For my unforgotten Papa, who gave me my first synthesizer – a MOOG Prodigy." So muss das. 4
Die Wurzeln der SynthKunst erforscht einmal mehr Bureau B. Die Kompilation "Silberland" befasst sich mit "The Psychedelic Side of Kosmische Musik (1972-1986)" und enthält neben diversen Beiträgen aus dem Sky-Katalog (u.a. Roedelius, Tyndall, Riechmann, Cluster und Schickert) auch weniger Bekanntes. Z.B. eine von Rolf Trostels schwer nach Tangerine Dream klingenden SynthieEtuden, die "Trümmerköpfe" aus Asmus Tietchens (vergleichsweise zugänglicher) Sky-Phase oder selten gehörte Musik von Bernd Kistenmacher (noch so ein T.D.-Epigone). Faust sind mit dem erst in Zuge der "1971-1974"-Box offiziell veröffentlichten "Vorsatz" dabei (das Stück entstand 1972 in Wümme) und Heiko "Camouflage" Maile steuert seinen "Nachtspaziergang" von 1987 bei. Alles in allem wenig Überraschendes, aber doch ein weiterer Beweis dafür, dass die "Kosmische Musik" der deutschen SynthNerds damals wie heute einen vielfältigen Einfluss ausübte und das "Vol. 1" auf dem Digipack lässt die begründete Vermutung zu, dass in den Archiven der Hamburger Bureau-Arbeiter schon weiteres Material gesichtet und vorsortiert wird. 4
HANS CASTRUP ist nicht nur ein grundsymphatischer Mensch und Denker und Dichter (seine Gedichtbände "Konstante Ungleichgewichte I und II" liegen leider noch auf meinem "Stapel ungelesener Bücher"), sondern auch ein sehr kreativer Musiker. Seine aktuelle CD "Constant Imbalances V" (Submarine Broadcasting Company) changiert im elektronischen Feld zwischen "orchestral" (hört euch nur mal das opulent-kratzige "Kaytempture" an - man sollte dem Mann wirklich mal ein Budget für ein Sinfonieorchester geben!) und "Neu(e)Musik"alischem (z.B. das komplex quietschende "Yoloscat") und ist eine wirklich überzeugende Arbeit moderner ElektroKlangKunst. 5
Mit "Bondona" (ARC) von der "London-based, British-Bangladeshi" Band KHIYO switchen wir in Richtung WeltRock. Die Kapelle um die charismatische Sängerin Sohini Alam vermengt in einem großen Topf Bengali-Grooves mit RockGitarren und sogar einigen Jazz-Einflüssen oder SiSo-Elementen (z.B. bei "Ponkhi"). Die Fusion gelingt prächtig, die Exotik der Tabla/Sitar-Klänge hält der drückenden Dominanz elektrischer Gitarren locker stand und die GefühlsTiefe, mit der Alam u.a. Lieder von Bangladeschs offiziellem "Nationaldichter" Kazi Nazrul Islam interpretiert, kontrastiert perfekt die westliche RockRhythmik. 4
LA FANFARRIA DEL CAPITÁN ist eigentlich eine Band aus Argentinien, inzwischen leben aber 4 der 6 Mitglieder in Deutschland. Auf "El Cantomanto" (Tropical Diaspora) hören wir gefälligen WeltPop, der von SloMo Merengue (oder uptempo Fado?) über HipsterSiSo-Zeugs, IndieCumbia und eine Art DiscoSka ("Come To Berlin") bis zu MestizoPock á la Manu Chao reicht und sicherlich in den gutbürgerlichen Vierteln der deutschen Großstädte gern bei einem Gläschen Bionade oder Mate etwas lauter gedreht wird (eine entsprechende Massenkompatibilität wurde der Band durch die Einladung zur Mitwirkung an diversen TV- bzw. Netflix-Soundtracks bestätigt). Die drum-Sounds finde ich über weite Strecken zwar etwas eintönig, wenn nicht einfallslos, aber davon abgesehen ist der Truppe eine brauchbare Sommerplatte gelungen, die mit "Schaumamoi" sogar ein Stück in bayerischem Dialekt enthält. LFDC machen übrigens nicht nur Musik, sondern haben gemeinsam mit einem Ingelheimer Winzer eine eigene Weinlinie kreiert. "100% der Einkünfte für Musik-Projekte" steht auf dem Etikett von Riesling, Rosé oder Rotweincuvée – gute Idee. 3
"Happiness", der opener von "El Cantomanto", findet sich auch auf der schönen, der Menge an unbedingt zu berücksichtigenden Künstlern wegen auf 2 CDs verteilten Übersicht zur diesjährigen Ausgabe des Rudolstädter Tanz- und Folk-Festivals. "Folk Galore presents some of the best from Rudolstadt Festival 2022" (CPL) macht Appetit auf das Anfang Juli stattfindende SzeneTreffen, zu dem ich es leider auch in diesem Jahr wohl nicht schaffen werde. So verpasse ich wohl oder übel das Dobrila & Dorian Duo, Hotel Palindrone, Rüüt, Lakha Khan, Wernyhora, Kurbasy oder Pauanne. Und noch viel mehr. 4
CALEB NICHOLS wird im Info als "apparition of Paul McCartney in drag" und diese Beschreibung finde ich äußerst passend. Ob übersteuerte Akustikgitarre und herrlich heulender Chorgesang oder stampfende Rhythmen und zartes Hauchen – der Kalifornier weiß was er tut und ist auch ein begabter Texter. "She’s The Beard." Yep. 4
Mehr dann im September, bis dahin: viel Spaß beim sommerlichen Schwitzen, meine Freunde!

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