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MIKA ROTTENBERG

Sprengel Museum Hannover



Der Preisträgerin des Kurt-Schwitters-Preis 2019, Mika Rottenberg, widmet das Sprengel Museum Hannover vom 8. Februar bis zum 10. Mai 2020 eine Solo-Ausstellung. Mika Rottenberg, die 1976 in Buenos Aires geboren wurde, lebt und arbeitet in New York. In ihrem Werk, das sie selbst als ´Social Surrealism´ bezeichnet, setzt sie sich auf fantasievolle Weise mit der global-kapitalistischen Produktion und Zirkulation von Waren auseinander. Mit der Schau in Hannover hat ihr neuester Film Spaghetti Blockchain (2019) Europapremiere, der neben kleineren skulpturalen Arbeiten und Videos zu sehen ist.

Lips (Study #3), 2018
Einkanal-Videoinstallation, Ton, Farbe 1:28 min
Installationsansicht New Museum New York 2019
Courtesy of the artist and Hauser & Wirth
Foto: Dario Lasagni ©2019 Mika Rottenberg
Spaghetti Blockchain verbindet wie bereits in früheren Arbeiten Rottenbergs das Dokumentarische mit der Fiktion zu einer bunten surrealen Abfolge: Durch eine kaleidoskopartige Bildertrommel wird im rotierenden Wechsel der Blick auf unterschiedliche Schauplätze gelenkt, in denen Menschen „produktiv“ auf Materie einwirken. Dazu gehören reale Einrichtungen wie die „Antimaterie-Fabrik“ am Europäischen Labor für Teilchenphysik Cern, ein Kartoffelacker in Maine - genauso wie lustvoll imaginierte Forschungs- und Produktionsstätten, in denen wabblige Silikonzylinder, Schaum, Plastikkugeln und zu einem Modell zusammengesteckte Spaghetti mit Marshmallows experimentell zerschnitten, geschmolzen, intensiv beklopft oder bewegt werden.
Die fiktiven, oft an den Slapstick reichenden Szenen sind oft von irritierender Sinnlichkeit und reichen damit an unsere heutige Lebenswirklichkeit heran, die multisensorische Erfahrung in einer zunehmend digitalisierten, d.h. zunehmend abstrakten werdenden Welt als neue fetischhafte Produktqualität entdeckt hat. Gleichzeit spielt Rottenberg mit bildlichen Modellassoziationen und Mustern, die gedankliche Sprünge zwischen Makro- und Mikrokosmos in Bewegung setzen. Produktion offenbart als universelles Phänomen ein geradezu magisches Potenzial, das über die Grenzen von Realität und Imagination hinausweist. Egal, ob Antimaterie, Kartoffeln oder Schaum – der Mensch erzeugt in Formen und Objekten einen Mehrwert.
Im kapitalistischen System erscheint das magische Potenzial der hypervernetzten Produktion als globaler Teilchenbeschleuniger beängstigend, weil praktisch alles in ökonomische Werte umgewandelt werden kann, aber Individuum und Natur ausgebeutet auf der Strecke bleiben. Das scheinbar utopische Gegenbild dazu zeigt der Film in Szenen aus der sibirischen Hochebenen. Dort steht eine in Trachten gekleidete Frau und singt den traditionellen Kehlkopfgesang der Nomaden. Sie wirkt als Resonanzraum klingend in die Landschaft hinein - eine andere, ungleich wirkende, aber ebenso reale magische Kollaboration zwischen Mensch und Natur.
Mika Rottenberg (08.02.- 10.05.2020)
Sprengel Museum Hannover
Kurt-Schwitters-Platz, 30169 Hannover› www.sprengel-museum-hannover.de




Februar 2020
JETZT! JUNGE MALEREI IN DEUTSCHLAND
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