
Als Megan Markwick und Lily Somerville a.k.a. IDER 2020 zum letzten Mal im YUCA-Club – einer kleineren Version des in einem Bahngewölbe untergebrachten Club Bahnhof Ehrenfeld – aufgespielt hatten, hatten sie zwar insofern Pech, als dass ein Mikro ausfiel, sodass sich die beiden Londonerinnen für einen Teil der Show ein Mikro teilen mussten – dafür waren sie aber zumindest zu sehen gewesen, denn erstaunlicherweise war damals auf den in diesen Lokationen üblichen Kunstnebel und nicht auf die Beleuchtung der Musikerinnen verzichtet worden. Leider war bei dem neuen Gastspiel dann wieder genau umgekehrt, so dass die Protagonistinnen und ihre inzwischen zwei Bandmitglieder – und natürlich auch der Support Act Luna Morgenstern - zwar zu hören, aber nur schemenhaft zu sehen waren.
Insbesondere problematisch war das dann beim Set des Support-Acts Luna Morgenstern, denn hier gab es besonders viel Kunstnebel und besonders wenig Licht (und dann auch nur von hinten). Das war dann insofern unschön für die junge Künstlerin aus Köln die inzwischen aber in Amsterdam lebt und arbeitet; denn diese hatte gerade ihre erste Headliner-Tour wegen zu geringer Kartenvorverkäufe absagen müssen – womit ihre kurzfristig anberaumten Support-Slots für IDER die zunächst einzige Möglichkeit darstellten, ihre vor kurzem erschienene Debüt-EP „Heartbreak Hotel“ live präsentieren zu können. Da hätte man schon gerne mal gesehen, wen man da vor sich hatte – zumal Luna's zeitgemäße E-Pop-Songs beim IDER-Publikum offensichtlich gut ankamen. Das Konzept der EP ist dabei ebenso charmant wie originell: Die 6 Songs des Tonträgers repräsentieren 6 Zimmer in besagtem Heartbreak-Hotel, die dann die Weltschmerz-Geschichte einer unglücklichen Beziehungsgeschichte auf betont abwechslungsreiche Weise erzählen. Anteilig angereichert mit R'n'B-, E-Pop- und Rave- und Club-Elementen – die von Luna über zwei Trigger-Pads abgerufen wurden und ergänzt um der auf der Gitarre vorgetragenen Hommage „Miss You“ an Luna's verstorbene Mutter, demonstrierte Luna bei der kurzen Show im CBE ihre Fähigkeiten als clevere Pop-Jongleurin und selbstbewusst einnehmende Performerin. Da ist sicher noch mehr in petto – aber gerade um das zu zeigen, war ja die abgesagte Tour gedacht gewesen. Wollen wir hoffen dass das dann noch mal klappt.Seit der Tour zum ihrem ersten Album „Emotional Education“ sind Megan und Lily zu regelrechten Ikonen der LGBT+-Szene herangereift, so dass es bei der Kölner Show nur darum gehen konnte, dieses Thema möglichst deutlich in den Vordergrund zu stellen. Das neue Album „Late To The World“ - das IDER mit Produzent Dan Hume in einem Kirchenstudio eingespielt und dabei erstmals mit einem Live-Drummer aufgenommen hatten – bietet mit seinen Statements gegen die patriarchalische Gesamtweltlage und für das feministische Empowerment natürlich die allerbesten Voraussetzungen für dieses Anliegen. Die Show begann denn allerdings mit dem inhaltlich eher atypischen Titeltrack des aktuellen Albums „Late To The World“ - einer Ode an die resiliente Kraft der Baby-Boomer Generation.
Für die Tour hatten IDER dann nicht nur ihren Live-Drummer im Gepäck (wie das bislang schon üblich gewesen ist), sondern noch eine zusätzliche Musikerin, die die Soundpalette mit Gitarre, Bass und Keyboards ergänzte. Das machte sich dann durch einen druckvolleren Sound bemerkbar, der insbesondere dann, wenn Lily Somerville selbst zur Gitarre griff, auch schon mal in Richtung Rock führte. Das war zwar beim Soundcheck noch stärker ausgeprägt, als sich die Band zu regelrechten Jam-Sessions hinreißen ließ, war aber auch in der dann etwas stromlinienförmig angelegten Show noch zu spüren. Wie gewohnt wechselten sich Megan und Lily dann an den Keyboards ab, während Lily eben zusätzlich ab und an zur Gitarre griff. Dabei wirbelten beide Protagonistinnen auf der Bühne hin und her – allerdings nicht besonders koordiniert. Oft genug agierten die Damen mit dem Rücken zum Publikum oder wurden Keyboard verdeckt. Nicht dass sich das besonders bemerkbar gemacht hätte, denn obwohl es ein wenig heller war als zuvor bei Luna Morgenstern, waren die Musikerinnen nur dann richtig zu erkennen, wenn sie in der Bühnenmitte zusammenstanden und von dem einen oder anderen Lichtstrahl erfasst wurden – und auch nur dann, wenn die Kunstnebelmaschine mal eine Pause machte.
Der Stimmung tat das tatsächlich auch keinen Abbruch, denn die Setlist war betont publikumswirksam strukturiert und enthielt neben den Tracks des neuen Albums, die über das ganze Programm verstreut platziert waren (die Single „Attachement Theory“ kam erst gegen Ende zum Einsatz) auch ältere Stücke, wie „Pulse“ aus der Anfangszeit oder das a capella aus dem Publikum vorgetragene „Body Love“ vom ersten Album. Der wechselnde Lead-Gesang und/oder in Kombination dann der Harmoniesang der Freundinnen blieb davon ja sowieso unberührt und der Sound im CBE war wirklich überall glasklar (und wurde sogar in den separat gelegene Bar- und Merch-Bereich übertragen. In Sachen Publikumsanimation blieb sowieso kein Auge trocken und mit ihren augenzwinkernd anzüglichen Zwischensagen hatten IDER das überwiegend queere Publikum, sowieso auf ihrer Seite. Der Party-Charakter der Veranstaltung wurde auch dadurch betont, dass IDER auch im Live-Ambiente uneingeschränkt zu ihrem Leftfield-Pop-Image stehen und sich vor allen Dingen als unterhaltsame Performerinnen begreifen. Für Rockfreunde war das natürlich nichts – aber die waren ja auch nicht anwesend.
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