MATTO KÄMPF

(Der gesunde Menschenversand, 112 S., 24,00 Euro)

Ein Schweizer wird von einer Ex-WG-Mitbewohnerin zur Hochzeit nach Serbien eingeladen, findet dort – auch weil sonst keine(r) aus der alten Gemeinschaft anreist – kaum Anschluss und beschließt daher, die verbleibende Zeit touristisch zu nutzen. Gute Idee, die aber leider zum Albtraum eskaliert, denn der gelöste Zugfahrschein stellt sich als ungültig heraus, die Bahnkontrolletis verstehen keinen Spaß und die hinzugezogene serbische Polizei noch weniger. Handschellen, Flucht, Wanderschaft sind die schnelle Folge; für klare Gedanken ist zuerst keine, später dafür umso mehr Zeit. Unser "mittelalter" Held trinkt mit seltsamen Dänen und Gästen einer Dorfhochzeit, beklaut in seiner Not seine Retter genau wie völlig Unbeteiligte und philosophiert beim Fußmarsch nach Hause (mehr oder weniger) munter vor sich hin - angst- und verzweiflungsgeborene Selbstreflexion vs. Kurzschlusshandlungen. Antriebslosigkeit im (Lehrer)Alltag wird durch spontane Entscheidungen im (Alkohol)Affekt kontrastiert – irgendwann fühlt sich dieses (unfreiwillige) neue Leben aber doch zu konkret an. Der in direkter Anrede an den Leser lakonisch erzählte Text strotzt dabei von herrlichen aphoristischen Sätzen wie "Niemand sitzt in seinem Leben am Steuer. Nur Idioten meinen das. Wir sitzen alle auf dem Rücksitz." Dazu kommen (gegen Ende in immer schnellerer Folge) eingestreute Zeichnungen des Autors, die z.B. "Jesus erreicht mit seinem Esel Hansueli Jerusalem" heißen. Der schmale Band ist dazu auch handwerklich ein Genuss: das mit feiner Schrifttype stilvoll gestaltete Cover (auch der Satz im Text ist sehr gelungen) und schönes Papier samt Lesebändchen machen das Lesen zum ästhetischen Vergnügen. Fazit? Die Heilsarmee hat gewonnen, ein Mensch braucht nicht mehr als "Suppe Seife Seelenheil". Oder doch?
Weitere Infos: › www.menschenversand.ch