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TOINE HEIJMANS

Pristina

(edition amikejo, 346 S., 14,50 Euro)

Heijmans ist ein in Nijmegen geborener Zeitungsreporter und Romanautor, der bei unseren Nachbarn recht erfolgreich ist (sein 2011 erschienener Erstling "Op Zee" (dt. "Irrfahrt") wurde mehrfach ausgezeichnet, in etliche Sprachen übersetzt und sogar verfilmt). Ich hatte bisher noch nichts von ihm gelesen, was sich nun aber dank dem in Aachen ansässigen EuregioKultur e.V. bzw. der dort angeschlossenen "edition amikejo" ändern ließ (wobei ich gelernt habe, dass sich "amikejo" auf ein zwischen Aachen, Vaals und Kelmis gelegenes, ehemals als "Neutral-Moresnet" bezeichnetes Gebiet bezieht, das nach 1900 einige Esperanto-Freunde als Keimzelle eines aufzubauenden Esperanto-Staats betrachteten – sehr spannend, aber ich schweife ab!). Wenn auch zeitlich nicht näher bestimmt, ist Ort der Handlung von "Pristina" eine holländische Nordseeinsel, auf der ein Regierungsangestellter eine abgelehnte Asylsuchende aufzuspüren und "rückzuführen" versucht. Albert Drilling ist der Beste im Stab des Ministers, dem es vor allem darauf ankommt, dass solcherlei Dinge geräuschlos und ohne Aufsehen abgewickelt werden, es darf dann auch gern etwas Geld kosten – unter’m Strich "rechnet" sich der Aufwand. Diese rein rational-ökonomisch und somit zwangsläufig emphatie- und moralfreie Betrachtung scheint mir gar nicht so sehr konstruiert, die Flüchtlings- und Asyl-Verwaltungen haben diese Denkweise zutiefst verinnerlicht. Aber bei Irin Past aka. Kira Dostat (zwei schöne Anagramme) aka. Manja von der Rezeption im Hotel "De Waarheid" verwickeln sich die Dinge: die Frau aus Kairo; nein, doch nicht; eher aus Pristina? - passt nicht in das gewohnte Schema des erfolgreichen Abschiebers. "Irin Past hat ihren Namen so oft geändert, dass es sinnlos war, herausfinden zu wollen, wie sie wirklich hieß." Und woher sie wirklich stammt, weiß sie selbst nicht mehr, die Erinnerungen an Krieg und Haß sind schemenhaft. Irin fühlt sich als Holländerin, als Insulanerin, die bei den menschenscheuen Nordseeleuten Heimat und Anerkennung, sogar Zuneigung und auch Liebe gefunden hat. Der Apparat hat in Person von Drilling keinerlei Verständnis für derlei Gefühlsdinge, die Ausweisung ist beschlossen, nur deren Umsetzung ist noch zu organisieren. Nach einigen Befragungen der Inselbewohner findet der Ermittler die Gesuchte, es gibt Reisen nach Kairo und lange Spaziergänge am herbstlichen Dünenstrand (man friert in diesen Passagen förmlich mit im Nieselregen!) und ein sehr seltsames und herrlich offenes Ende im Kosovo. Sprachlich dicht, dabei aber stets gut lesbar und erzählerisch geschickt konstruiert, ist dieses Buch ein eindringliches Plädoyer für Verständnis und Mitgefühl. Zu Menschen, die einfach nur auf dem falschen Flecken Erde zur Welt kamen.
Weitere Infos: www.euregio-lit.eu/de/der-verlag/romane


April 2022
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