THOMAS PYNCHON / KLAUS BUHLERT

(HörbuchHamburg, 13-CD-Box, 79,99 Euro)

Nachdem ich kurz vor’m Ende der DDR Pynchons "Die Versteigerung von No. 49" und auch "V." gelesen hatte, war eines der beiden ersten Bücher, die ich im Dezember 1989 "im Westen" kaufte, jener 1.194-Seiten-Hammer, den viele nicht ganz zu Unrecht für ebenso grandios wie unlesbar halten. Ich brauchte für den Kampf durch den Text fast ein Jahr - ein Jahr, in dem auch sonst sehr viel Prägendes geschah. Die Erinnerung an diesen süßen Sommer der Anarchie wird nun durch eine andere Großtat getriggert, denn nach jahrelangem vergeblichen Anfragen gestattete der mysteriöse Grandseigneur des postmodernen Schreibens dem SWR-Hörspiel-Chefdramaturgen Manfred Hess 2016 doch das kaum noch Erhoffte: eine Hörspieladaption von "Gravity’s Rainbow" auf nur leicht gekürzter wortgetreuer Basis der Jelinek-Übersetzung. Die Entstehungsumstände werden im dicken booklet spannend erläutert, Dennis Scheck gibt eine begeisterte Einführung und auch Regisseur Klaus Buhlert kommt zu Wort. Wirklich überwältigend ist aber, was sich auf den 13 CDs abspielt. Natürlich kann man versuchen, den wild mäandernden Handlungssträngen stringent zu folgen (was eine nahezu übermenschliche Konzentrationsfähigkeit voraussetzt), man kann sich aber auch einfach in diese 14 Stunden Sprache fallenlassen und sich z.B. an Corinna Harfouch als arkan-laszive Masochistin Greta Erdmann berauschen, die Besetzung des SS-Offiziers Weissmann/Blicero mit Filmbösewicht Thomas Thieme etwas "too much" finden (die der Hauptfigur Tyrone "Raketenmensch" Slothrop mit Golo Euler ist hingegen brillant) oder sich freuen, dass auch "Die Geschichte von Byron, der Birne" nicht vergessen wurde. Pawlowsche Konditionierung, Entropie und Raketentechnik – Paranoia, Gewalt und Statistik – Sprachphilosophie, Typhus-Mary und Weltverschwörung – hier findet alles zugleich statt, jenseits aller Konventionen und doch durch eine ganz andere Form von untergründiger Logik sowie jede Menge Sex und Drogen ineinander verstrickt. Das Hörspiel arbeitet dieses strukturierte Chaos so feingliedrig wie epochal nach, wir summen noch lange mit Enzian, dem Hauptmann des aus Hereros bestehenden und wie alle hier dem ominösen "Schwarzgerät" nachjagenden "Schwarzkommandos" gern das Mantra: Mba-Kayere! Selbst der geniale letzte Satz des Mammutwerks, das in der Übersetzung vieldeutige, wunderbar offene "Und jetzt alle –", wird hier genau so in Szene gesetzt, wie zumindest ich es mir vorgestellt habe. Für Pynchon-Fans also trotz des stolzen Preises ohne Zweifel ein "must have".
Weitere Infos: › www.hoerbuch-hamburg.de/hoerbuecher/pynchon-die-enden-der-parabel-4415

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