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MARY COUGHLAN

Red Power

MARY COUGHLAN

Mary Coughlan ist nun wirklich eine Frau, die – was die Schattenseiten des Musikbusineß und des Lebens im Allgemeinen betrifft – so ziemlich alles mitgemacht hat, was sich da anbot. Das reichte vom Leben am Abgrund – inkl. Alkoholsucht – bis hin zu Superstar-Status in ihrer Irischen Heimat. Dennoch legt sie wert darauf hinzuweisen, daß Sie, im Gegensatz zu ihrem großen Idol, Billie Holiday im Alter von 44 Jahren noch am Leben ist – und das recht energisch.

Überhaupt kann es nicht am Mangelnden Selbstbewußtsein liegen, daß ihr das eine oder andere zuweilen entglitt. Mary kommt zwar ein wenig schnoddrig, aber auch besonders offen und freimütig daher. Das kommt zuweilen falsch an: Als sie 96 z.B. auf der Popkomm auf dem Showcase ihres damaligen Labels Big Cat auftrat ("Eine furchtbare Veranstaltung" meint sie heute dazu), war zu beobachten, daß die damals auf sie angesetzten Promoterinnen aufgrund ihrer resoluten Art geradezu Angst vor ihr zu haben schienen. Das ist aber alles halb so schlimm – wenn man sich ein wenig auf Mary einläßt. Ihre neue Scheibe, "Red Soul", nimmt sie zum Beispiel nicht so besonders wichtig. "Oh, das ist kein besonders ernsthaftes Album", meint sie schnoddrig, wie das so ihre Art ist, "als Big Cat den Bach runterging, hatte ich für einige Zeit keinen Deal. Volker (Steppat – von Tradition & Moderne) kannte ich schon lange. Er hatte mir angeboten, wann immer ich Zeit hätte, mit ihm etwas zusammen machen zu können. Wie es der Teufel wollte, waren alle (= Mary + Ihre Musiker + die Band Tri Continental, die auf dem Album auch mitwirkte, zusammen in Deutschland und da haben wir dann beschlossen, ins Studio zu gehen und etwas aufzunehmen." Erklärt das auch die eigenwillige Songauswahl? Neben Tracks wie "Strange Fruit" finden sich auch – eher weniger naheliegende – Versionen von "Pull Up To My Bumper" und "You Can Leave Your Hat On" (von Randy Newman zwar, aber bekannt geworden durch Joe Cocker aus dem Soundtrack von "91/2 Weeks"). Mary lacht. "Ehrlich gesagt haben wir diese Stücke nur aufgenommen, weil die Musiker die, die ich ursprünglich ausgesucht hatte, zum größten Teil nicht drauf hatten. Mein Keyboarder meinte: "Mary, wenn´s paßt, dann machen wir das schon". Und so haben wir dann so lange herumgesucht, bis wir Sachen gefunden haben, die machbar waren." Das könnte auch der Grund sein, warum die Arrangements auf der Scheibe recht simpel – zum Teil gar spartanisch geraten sind. "Arrangements? Welche Arrangements?" meint Mary, "auf der Scheibe gibt es keine Arrangements. Wir sind einfach ins Studio gegangen, und haben drauflos gejammt. Wie gesagt, das ist keine besonders ernsthafte Platte." Halten wir aber mal fest, daß sie trotzdem nicht beliebig daherkömmt, sondern durchaus auch mit Köpfchen und Überlegung entstand. "Wir haben uns natürlich schon bemüht, das Bestmögliche zu machen – nach den vorhandenen Möglichkeiten", erläutert Mary, "zum Beispiel der Bobby Blend Song ´Ain´t No Love In The Heart Of The City´- den haben wir jetzt nicht mit Drum´n´Bass oder so was gemacht, sondern eben mit einer Gitarre. Was Du aber hörst, ist einfach eine Band, die zusammen spielt." Auch wenn Mary betont, daß die Scheibe nicht besonders ernsthaft geraten ist, eines der Themen, die sich hier finden, ist es aber dennoch. Als letztes Stück auf der CD findet sich Billie Holiday´s "Strange Fruit" in einer A Capella-Version. "Ja, ich kenne nämlich die Musik nicht", scherzt Mary, "nein, mal ernsthaft. So habe ich das Stück früher schon gesungen. So ist es einfach kraftvoller." Und warum ist gerade dieser Holiday-Track auf der Scheibe gelandet? "Das hat einen ernsten Hintergrund. Wir haben in Dublin in letzter Zeit – so in den letzten 5 Jahren – schwere Probleme mit dem Rassismus. Ausländer werden belästigt, zusammengeschlagen, ermordet. Ich habe mich in dieser Richtung engagiert und aus diesem Grunde das Stück wieder aufgegriffen." Zur Erinnerung: In "Strange Fruit" geht es um Lynchjustiz. Die besagten "Strange Fruit" sind im Winde baumelnde Gehenkte. Ein brutales Bild für die stetig kälter werdende sozialen Probleme, die unsere modernen Zeiten so mit sich bringen. Mary kann sich so gar nicht damit identifizieren. "Ich mag keine Computer – wegen dem, was Sie den Menschen antun." Meint sie zum Beispiel. ABER: Kann Musik denn irgend etwas bewirken. "Die Politiker können es jedenfalls nicht", murrt Mary, "einer von denen hat gesagt, daß die Frauen aus Afrika nur bei uns einreisten, damit sie hier ihre Babys bekommen, und sich so ihr Bleiberecht erzwingen können. Das ist, was die Politiker zu diesem Thema zu sagen haben." Mit Irland, also, dürfte sich ein künftiger Kanzler Stoiber schnell einigen können. Noch ein Thema verbindet uns und die Iren: Sellafield. Die Aufbereitungs-Anlage für atomaren Müll liegt – geographisch betrachtet – genau vor Mary´s Haustüre. Auch hier ist die Politik nicht wirklich eine Hilfe. "Die irische Regierung hat eine Anzeige in der Times geschaltet, in der es hieß: ´Bitte schaltet Sellafield ab´. Das ist alles", redet sich Mary langsam in Rage, "in der Gegend um Sellafield gibt es ein gehäuftes Auftreten des Downes-Syndroms. Da braucht es wirklich keiner weiteren Beweise, daß da etwas nicht stimmt. Trotzdem erzählt man uns, wir mögen halt Jod-Tabletten nehmen." Alles nichts neues. Und noch einmal die Frage: Kann Musik daran etwas ändern? "Wenn Du die Leute zum Zuhören bringst, dann schon", schränkt Mary ein, "Kennst Du Christy Moore? Er ist eine irische Folklegende. Mit ihm zusammen machen wir diese Kampagne. Wenn Christy Moore auftritt, dann tritt er nicht vor tausendenden, sondern vor hunderttausenden auf. Wenn Christy Moore etwas sagt, dann hören die Leute zu. Ja, ich denke, mit Musik kann man etwas ändern." Insofern wundert es denn auch nicht, daß Mary´s nächstes Album wieder etwas "ernsthafter" wird, als das vorliegende. "Oh ja, ich habe schon ein paar Stücke geschrieben. Es wird mehr in Richtung "Magdalen Laundry" gehen." "Magdalen Laundry" ist ein älteres Stück von Mary, welches die sozialen Umstände in einer Großwäscherei anprangert). Musikalisch hat sie sich auch einiges vorgenommen. "Kennst Du Gavin Friday?" fragt sie – Gavin ist ein Freund von Bono und macht mit diesem öfters Beiträge zu Filmsoundtracks, "ich habe neulich eine Produktion von ihm gesehen, und das war wirklich einzigartig. Mit ihm zusammen möchte ich gerne das neue Album machen. Musikalisch wird das in Richtung Vaudeville gehen – aber total modern klingen. Laß Dich überraschen!" Und bis dahin? "Ich werde touren", verrät sie, "allerdings nicht am Stück – immer so eine Woche lang – dafür aber über´s ganze Jahr verteilt. Ich kann nicht so lange von zu Hause wegbleiben. Allerdings kann ich auch nicht allzu lange von der Bühne wegbleiben ..." Was wohl bedeutet, daß uns Mary noch recht lange erhalten bleiben wird.



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