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KARL DIE GROSSE

Auf eigenen Beinen

KARL DIE GROSSE

„Wie können wir alles, was uns am Musizieren Spaß macht, in unsere Songs einfließen lassen, ohne dass es erschlagend wirkt? Wie kann ein Lied auch mal reduziert dastehen und Platz lassen für den Text und die Geschichte?“ Fragen wie diese, hier auf den Punkt gebracht von Songschreiberin Wencke Wollny, beschäftigen sie und ihre fünf Mitstreiter*innen, seit sie 2013 die Band Karl die Große gründeten. Kennengelernt hat sich das Sextett während des Musikstudiums in Leipzig, das Wencke als eine „alternative Insel mit viel Grün, wunderschönen Clubs und einem treuen und herzlichen Publikum“ bezeichnet: „Außerdem können wir hier unsere Wohnungen bezahlen und einen Proberaum haben, das sorgt für die nötige Unbeschwertheit.“

Diese Unbeschwertheit hat der Band geholfen, ihren ganz eigenen Klang irgendwo zwischen Indie, Pop und Jazz zu finden – und ganz nebenbei immer mehr Leute davon zu überzeugen, sie auf ihrem Weg zu unterstützen: Wie schon der erste Longplayer „Dass ihr Superhelden immer übertreibt“ (2017) wurde auch das neue Album „Was wenn keiner lacht“ von einer Crowdfunding-Kampagne begleitet, bei der mehr als 14.000 Euro zusammenkamen – Geld, das es der Band ermöglicht, gewissermaßen ihr eigenes Plattenlabel zu sein: „Wir haben schon oft Geschichten von Albumproduktionen gehört, wo einer Band ein bestimmter Produzent zugeordnet wurde, oder wo das Label gesagt hat: ‚Ihr müsst das Album noch einmal neu machen, damit können wir nichts anfangen, das verkauft sich nicht.‘ Deshalb war uns schon immer klar, dass wir gerne unabhängig und selbstbestimmt unsere Musik machen und alle Entscheidungen zu sechst treffen wollen. Dadurch sind alle unsere Tonträger wirklich immer eine Momentaufnahme davon, wie wir klingen wollen.“

Der Vorteil, nicht mit wolkigen Labelvorschüssen operieren zu müssen, sondern mit handfesten Vorbestellungen von Fans kalkulieren zu können, versetzte die Band auch in die Lage, den nötigen Mut für so manche unpopuläre Entscheidung aufzubringen: zum Beispiel, sich für eine ungewöhnlich entschleunigte Veröffentlichungspraxis zu entscheiden, bei der zwischen dem ersten Video und dem Release der vollständigen Platte ganze 15 Monate lagen – oder das Risiko einzugehen, das mit radiotauglichen Songs wie „Immer immer“ oder „Heute Nacht“ frisch angelockte Publikum mit einem sperrigen Titel wie „31.März“ direkt gehörig herauszufordern.

Der Wunsch nach Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit prägte jedoch nicht nur den Produktionsprozess des neuen Albums, sondern findet sich auch als zentrales Thema in den Songs wieder. So handelt „Gefällt“ etwa davon, wie jemand anderes sein zu wollen, obwohl man ja schon man selbst ist und das doch eigentlich völlig ausreichen sollte. Den ernüchternden, zugleich aber auch befreienden Moment, sich von seinen Idolen lösen zu können, um fortan auf eigenen Beinen zu stehen, beschreibt „Goodbye Vorbild“, der Gar-nicht-mal-so-Hidden-Track des Albums, dessen Text sogar im Booklet abgedruckt ist: „Dieser Drang, jemandem nachzueifern und alles von ihm oder ihr als Inspiration aufzusaugen, ist vielleicht nur ein Moment, der wieder aufhört. Das kann im ersten Augenblick ein Schock sein, aber dann ist es auch okay, weil man sagen kann: Wir hatten echt ‘ne gute Zeit, aber jetzt muss ich verstehen, dass ich nicht genauso sein kann, und dieses Nacheifern und Nachrennen macht mich eher kaputt, als dass ich mich selbst dabei finde.“

Nach Menschen gefragt, die sie selbst trotz dieses kritischen Umgangs mit Vorbildern besonders prägen und beeindrucken, nennt Wencke zunächst Moritz Krämer und Francesco Wilking (von der Band Die Höchste Eisenbahn), die sie zur „Königsklasse“ der Songwriter zählt; mit beiden sang Wencke bereits Duette ein: mit Moritz „Cowboy und Indianer“ auf dem ersten Album und nun mit Francesco „Du bist noch nicht da“. Auch Sophie Hunger, Billie Eilish und Kat Frankie zollt Wencke großen Respekt: „Die machen – zumindest dem Anschein nach – alle ihr Ding: ohne Kompromisse und ohne darüber nachzudenken, was jemand darüber sagen könnte, oder wer davon schockiert sein könnte.“ Daraus zieht Wencke die Konsequenz: „Wir sollten als Band immer darauf achten, dass das, was wir machen, uns Spaß macht und wir es auf der Bühne überzeugend rüberbringen können, und wenn es jemand nicht gut findet, dann trennen sich eben vielleicht auch die Wege.“ Deutlich wahrscheinlicher ist dagegen, dass Karl die Große sich auf ihrer musikalischen Reise weiterhin über ein stetig wachsendes Gefolge werden freuen können – mal gucken, was noch so alles passiert…



Aktuelles Album: Was wenn keiner lacht (Karl die Große / Golden Ticket)

Foto: Marco Sensche

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