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TARA NOME DOYLE

Das liebe Ungeziefer

TARA NOME DOYLE

Als Tara Nome Doyle in den ersten Tagen der sich anbahnenden Pandemie ihr Debüt-Album „Alchemy“ veröffentlichte, und es gerade eben noch vor dem Lockdown schaffte, dieses auch Live zu präsentieren, schien sie damit im Hinblick auf den Zuspruch von Publikum und Kritik offene Türen einzurennen. Ein wenig erstaunlich war das schon, denn die in Berlin lebende Musikerin mit den irisch/norwegisch/deutschen Wurzeln hatte sich eine – eigentlich selten massenkompatible - Nische aus dem Artpop-Sektor als musikalische Heimat auserkoren und obendrein mit einem ziemlich komplexen kulturhistorischen und philosophischen Kontext unterfüttert. Stark beeinflusst von den Theorien des Schweizer Psychiaters und Philosophen C. G. Jung, dessen Konzept von Persona und Schatten sie konsequent auf die Charaktere in ihren Songs applizierte, erschuf sie ein komplexes Innenleben für ihr musikalisch düster und melancholisch ausgerichteten Piano-Pop-Songs, die aber offenbar eine gewisse Faszination auf ihr Publikum ausübte. Logisch, dass es sich auch bei ihrem zweiten Longplayer nicht um eine Sammlung banaler Pop-Songs handeln konnte, sondern ein gleichermaßen komplexes, vielschichtiges Gesamtkunstwerk. Das Thema, das sich Tara für ihr zweites Album „Værmin“ aussuchte, ist dabei mindestens so ungewöhnlich wie die auf dem Debüt besungene Alchemie – denn es geht – nicht nur im allegorischen Sinne - um Ungeziefer.

Dabei scheint sich Tara geradezu mit den Krabbeltierchen zu identifizieren? Zumindest in dem Song Spiders singt sie ja sogar aus der ersten Person.

„Also es war unterschiedlich“, überlegt Tara, „'Spiders' war eines der Lieder, wo ich es am meisten darauf angelegt habe. Die Person – oder das, was da singt ist die Spinne und das Objekt der Begierde ist eine Fliege. Da war das wortwörtlich so. Aber in den meisten anderen Fällen war es etwas anders. In dem Song 'Crow' agiere ich zum Beispiel aus der Perspektive einer Nachtigall, die zu der Krähe singt. Die Nachtigall ist die Persona und die Nachtigall dann der Schatten."

Letzteres bezieht sich dann wieder auf die Philosophie von C. G. Jung, oder?

„Ja – gleichzeitig hat dieser Song aber auch Referenzen zu 'Romeo und Julia'. Die Nachtigall ist dann halt Julia und Romeo ist die Krähe. Bei 'Caterpillar' singe ich zwar auch aus der Perspektive einer Raupe – aber da habe ich mir weniger vorgestellt, wie eine Raupe wirkt, sondern da habe ich an die fresslustige Raupe Nimmersatt gedacht. Ich singe aber nicht nur aus der Sicht der Raupe, sondern auch aus der Sicht einer Depression bzw. aus der Sicht des Schattens. Das Interessante an diesem Gedanken ist, dass man sich bei Depressionen ja oft isoliert, weil man das Gefühl hat, dass einem sowieso niemand helfen kann, auch wenn man Hilfe notwendig hat. In dem Lied wird gesagt, dass die Depression einem einredet: Mach die Gardinen zu – Du brauchst keine Freunde, ich kümmere mich um Dich."

Mal so gefragt: Macht Tara ihre Musik auch aus therapeutischen Gründen?

„Ich glaube, dass man das irgendwo immer so macht“, überlegt sie, „für mich ist es so, dass ich keine Musik machen kann, wenn es mir wirklich schlecht geht. Da kommt nichts sinnvolles bei raus. Es muss mir dann in Ansätzen besser gehen, bevor ich das Gefühl habe, dass da Inspiration und Motivation sind. Und klar: Das hat dann immer auch einen therapeutischen Effekt, weil man sich ja selbst auf diese Weise untersucht und - indem man darüber singt - etwas nachempfinden kann. Das ist in etwa so, als schreibe man einen gut überlegten Tagebucheintrag und lese diese dann immer wieder Freunden vor."

Was hat Tara Nome Doyle denn ansonsten noch so in Petto. Wird es z. B. mehr Kollaborationen oder Side-Projects geben?

„Ich habe mit Erol Sarp von den Grandbrothers neulich tatsächlich ein Side-Project angefangen, dass hoffentlich – so wie wir Zeit haben – weiter laufen soll“, berichtet Tara, „ob ich noch mal mit Frederico Albanese zusammenarbeiten werde, weiß ich noch nicht – aber vielleicht besteht die Möglichkeit, mal zusammen auf Tour zu gehen und die Verbindung aufrecht zu erhalten. Und Filmmusik ist etwas, für das ich mich sehr interessiere. Ich mache jetzt gerade Filmmusik für einen Freund. Das mache ich nebenher und es nimmt noch nicht so viel Zeit ein, ist aber interessant. Meine Haupt-Liebe ist dabei aber das Singen und das Lieder-Schreiben – auch als Auftragsarbeit. Das bringt mir am meisten Spaß und ist am unkompliziertesten für mich, denn ich muss dazu ja nirgendwohin und kann das nach meiner eigenen Zeit machen. Ich hoffe, dass das in Zukunft auch mehr Raum einnehmen wird."

https://taranomedoyle.com/home

Aktuelles Album: Værmin (Modern Rcordings/BMG)

Foto: Sonja Stadelmaier

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