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VALLEY MAKER

Sinnsuche im Abendrot

VALLEY MAKER

Hierzulande mögen Valley Maker immer noch ein gut gehütetes Geheimnis sein, in den USA dagegen hat sich das Projekt um Austin Crane längst zu einer festen Größe in der Welt des atmosphärischen Songwriter-Folk gemausert. Mit ´When The Day Leaves´ erscheint nun nicht nur die dritte, sondern auch die fraglos beste Valley-Maker-LP – eine Sinnsuche im Abendrot.

Seit mehr als zehn Jahren feilt Singer/Songwriter Austin Crane nun schon an seiner Vision eines Sounds, der von der Vergangenheit in die Gegenwart führt und am Ende zeitlos ist. Persönlich allerdings führte ihn sein Weg zuletzt in die entgegengesetzte Richtung, zurück zu seinen Wurzeln. Nachdem es ihn für rund ein Jahrzehnt nach Seattle verschlagen hatte, um dort Humangeografie zu studieren und anschließend seine Doktorarbeit in Angriff zu nehmen, ist er inzwischen mit seiner Ehefrau Megan in ihre gemeinsame alte Heimat nach Columbia, South Carolina, zurückgekehrt. Im emotionalen Spannungsfeld von Abschiedswehmut und Vorfreude auf den Neubeginn entstanden auch die Lieder auf ´When The Day Leaves´.

„Das Songwriting war schon immer meine Art, mich mit dem Unerklärlichen auseinanderzusetzen und mich den Fragen zu widmen, auf die es keine leichten Antworten gibt“, erklärt Crane im Gespräch mit der Westzeit. „Ich schreibe keine Lieder, um etwas zu erklären, ich schreibe sie, um mich abseits von Sprache und Wissen dem anzunähern, das für mich unerklärlich ist.“

In seine persönliche Suche nach Sinn und Bedeutung mischen sich religiöse und politische Untertöne, Letzteres nicht zuletzt der Verzweiflung über die alltägliche Realität in den USA geschuldet. Direkter und freimütiger als zuvor sind die Texte seiner neuen Lieder, bei denen das Stellen von Fragen bisweilen wichtiger ist als das Finden konkreter Antworten. Gleichzeitig verströmen sie aber auch nicht selten das Gefühl einer wohligen Düsterkeit, die sich bereits im LP-Titel ´When The Day Leaves´ widerspiegelt.

„Das Gefühl, dass die Dunkelheit einsetzt, ist ein zentrales Thema“, bestätigt Crane. „Dieses Gefühl, dass die Sonne verschwindet und sich die Nacht über alles legt, das war hier in den USA unter der Trump-Regierung allgegenwärtig. Viele der Probleme in diesem Land sind nicht neu, Rassismus zum Beispiel begleitet uns seit den Gründerzeiten, aber welche Formen das in den letzten Jahren angenommen hat, ist schon beängstigend. Allerdings kann ein Sonnenuntergang aber auch etwas sehr Schönes sein, ein Moment, in dem die Zeit stillsteht."

Ähnlich wie bei den Texten zeigt sich Crane auf ´When The Day Leaves´ auch musikalisch spürbar offener und findet in allen früheren Phasen seiner inzwischen ein Jahrzehnt alten Band Ideen und Elemente, die er als Sprungbrett für seine künstlerische Evolution nutzen konnte. War das Album ´Rhododendron´ aus dem Jahr 2018 noch Cranes Versuch, die rustikalen Folk-Ursprünge seines Projekts hinter sich zu lassen, klingt die neue LP grenzenloser.

„Ich bin die neue Platte bewusst anders angegangen als die letzte“, verrät er. „Der Vorgänger war eher ein Bandalbum und lehnte sich produktionstechnisch stärker an Indierock-Tugenden an. Dieses Mal hatte ich dagegen den Wunsch, das Songwriting bei den Aufnahmen in den Mittelpunkt zu rücken, denn ich denke, dass die neuen Songs die besten sind, die ich bisher geschrieben habe."

Allerdings bedeutet das nicht, dass Crane deshalb die produktionstechnischen Werte aus den Augen verlor. Holz- und Blechbläser und deutlich mehr Klavier als zuvor sorgen für stimmige Kontrapunkte und geben den Liedern genau das Gefühl von Dynamik, das Crane vorschwebte. Bisweilen weht deshalb ein Hauch von ´Pet Sounds` durch die Songs, aber auch Bob Dylans ´Desire´ und die unwirklich erscheinenden Klangwelten von Arthur Russel halfen Crane, den richtigen Weg für dieses Album zu finden. Ganz besonders, so sagt er, wurde er allerdings durch Gillian Welch inspiriert:

„Ich liebe es, wie simpel und unverfälscht ihre Aufnahmen sind, wie es ihr gelingt, den Songs stets in den Fokus zu stellen, selbst wenn drumherum noch viel passiert."

Dass die Platte trotz vieler verschiedener Einflüsse dennoch wie aus einem Guss klingt, war Crane ein besonderes Anliegen, wie er abschließend erklärt:

„Ich bin ein großer Vinylliebhaber und Plattensammler und frage mich bei den Aufnahmen immer, wie es sich anfühlen wird, sich das Album von Anfang bis Ende anzuhören. Ich weiß, dass das heute nicht mehr viele Menschen tun, trotzdem möchte ich Platten machen, die dich an einen Ort entführen, an dem du für die gesamte Spielzeit des Albums verweilen kannst."

Aktuelles Album: When The Day Leaves (Frenchkiss / Rough Trade)


Weitere Infos: valleymaker.com Foto: Bree Burchfield

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