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Gimme beer for my my tears oder vom Sinn des Dresscodes

Hank Williams Memorial Day 2003, Gebäude 9, Köln

Gimme beer for my my tears oder vom Sinn des Dresscodes

Juni im ausgehenden Millenium. Etwa 45 Menschen haben sich im Gebäude 9 der KHD-Hallen eingefunden, um mitten im Sommer einen Mythos zu feiern: Hank Williams Memorial Day 1999. Mit Freuden erinnere ich mich an diesen Abend. Nach der Vorführung der 16mm Doku "I´ll never get out of this world alive", waren vielleicht noch zwanzig Leute da, um auch noch DM Bob & The Deficits zu hören. Von Erfolg im monetären Sinne also keine Spur, aber dafür war es ein schmachtlappiger Abend der Sonderklasse und man spürte, das jeder einzelne bewusst dort war um dem toten Genius seine Referenz zu erweisen. Ein netter, erlauchter Inner-Circle kam da zusammen.

03. Januar 2003. Eigentlich zwei Tage zu spät zelebriert das G9 einen weiteren Memorial Day, diesmal anlässlich Hanks 50ten Todestages. Unter dem Motto: "There´s a tear in my beer", sollte erneut dem Meister des Leids gehuldigt werden. Das Programm war zumindest in einem Punkt bestechend. Denn nach der nun schon traditionellen Vorführung von "I´ll never get out of this world alive", gaben erst die Igels, dann Gerry Lee & The Wanted Men, Williams-Weisen zum Besten. Besonders die letzteren verdienen Beachtung, spielen die Kölner doch im nächsten Sommer (4. Juni) in der Gran Ole Oprey in Nashville, TN. Zumindest nominell der Ort, an dem der Meister seine größten Triumphe feierte, auch wenn die Halle heute an einem anderen Platz steht, als zu seiner Zeit.

Doch. Das Programm war in Ordnung. Der Film ist immer wieder tränenrührend und die Bands brachten einen schönen Querschnitt durch Hanks Werk.

Allerdings: es waren sprichwörtliche Perlen vor die Säue. Denn gleichzeitig diente der Event auch als Release-Party zur Veröffentlichung des Hörbuchs zur Collin Escott-Biographie. Und das war der falsche Fehler schlechthin. Daß es dem Verantwortlichen nur um die Kohle geht ist ja hinlänglich bekannt. Darüber kann auch das gelungene Hörbuch nicht hinwegtäuschen. Mit zufriedenem Grienen steht der Mann hinterm Merchandize und wenn man nicht auf der Gästeliste gestandenen hätte, man hätte es ihm mit Feuer und Schwert austreiben mögen. Warum? Darum:

Hank Williams war sicher alles andere als ein Redneck, aber die Ansammlung stinkender Alt- und Neohippies, Siffpunx und Pseudo-Intellektueller die sich hier zu seinen (Un-)Ehren versammelt hatte, hätte den Mann zu Lebzeiten sicher mehr als befremdet. Lauthals wurde hier Vernissagen-SmallTalk gehalten, so dass die Igels mit ihrem Akkustik-Set beinahe untergingen im Stimmengewirr der Gernewichtigen. Reihenweise Gesichter, denen man ansah, daß sie nicht recht wussten, was sie hier sollten. Am angenehmsten waren da immer noch die Herrschaften über 40, die sicher durch die bürgerliche Presse zu diesem Event gezogen wurden. Die wissen wenigstens noch, wie man sich benimmt.

Ein anwesender Freund aus Canada bestätigte mir, dass in seiner Heimat unter derartigen Umständen das Kriegsbeil ausgegraben würde. Kein Zweifel. Und das führt zu folgenden Fragen:

Kann man sich zu einem solchen Anlass nicht wenigstens einmal im Jahr die flohzerfressenen Dreadlocks, wenn schon nicht abschneiden, so doch wenigstens waschen? Oder sich `n Cowboyhut draufsetzen? Oder zumindest den Anstand haben zuhause zu bleiben? Was haben Designerbrillen-tragende studierende Berufstöchter auf einer Country- und Hillbilly Verantaltung zu suchen? Muss nun jedes Würstchen sein Herz für Hank entdecken? Ist es wirklich nötig, die Propaganda für solche Events in jedes versiffte Stadtmagazin zu setzen? Oder ist in der Schwutten-Metropole Köln einfach alles: janz ejal?

Bisher lebten die Trash-Events im G9 (betties favorites, summer bbq, etc..) auch vom Nimbus des stylischen Publikums. Genau dieses Publikum vergrault man aber, wenn man jeden Stinksack zu einer Veranstaltung zulässt, die anderen Leuten wirklich etwas bedeutet. Also merke: Filzköppe, Dreadheads, Kunststudenten, Junkies und Medienfuzzis und einfach alle, die sich nicht dem Anlass entsprechend kleiden und verhalten können – bleibt einfach weg oder geht Techno hören. Bitte!

Ich bin kein Merle Haggard Fan und Oklahoma ist wirklich öde, aber als Gerry Lee & The Wanted Men, einfühlsam wie immer, als letztes Stück des Abends den "Okie from Muscogee" gaben, war es mir schon ein innerer Vorbeimarsch:

We don´t smoke Marihuana in Muscogee

We don´t take no trips nor LSD

We don´t burn our passports down on mainstreet

We like living right, bein free

P.S. (Dieser Artikel erscheint aus ästhetischen Gründen ohne Fotos von der Veranstaltung.)




Januar 2003
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