Erst letztes Jahr machte Ryley Walker mit seiner famosen Break-through-LP ´Primrose Hill´ als unbekümmerter, Couch-surfender, Finger-pickender Überflieger des psychedelisch umspülten Folk-Rock von sich reden und kam praktisch aus dem Stand seinen Idolen John Martyn, Bert Jansch und Tim Buckley ganz nah. Jetzt begeistert der 27-jährige amerikanische Gitarrenvirtuose auch mit dem ambitionierten Nachfolger ´Golden Sings That Have Been Sung´ – und neuen Sichtweisen.
„Die neue Platte ist ehrlicher und echter, und ich denke, ich habe nun gewissermaßen meine eigene Stimme gefunden“, sagt Walker beim Interviewstopp in Berlin. „Ich schreibe meine Songs inzwischen viel mehr aus meiner eigenen Perspektive, deshalb ist die neue Platte viel selbstbewusster.“Sie klingt nicht nur reifer, sondern oft auch noch offener und freigeistiger als die vorherigen, ohne dass die Songs deshalb ziellos umherdriften würden. Im Gegenteil: Nie klang Walker leidenschaftlicher und fokussierter. Gelernt hat er sein Handwerk in der Experimental-Szene seiner Heimatstadt Chicago, wo er schon als Teenager mit lokalen Legenden wie Dan Bitney von Tortoise jammte. Seine Hinwendung zum filigranen Folk im Stile John Faheys vor einigen Jahren hatte dann nicht zuletzt pragmatische Gründe: Es kamen schlichtweg mehr Zuschauer zu den Konzerten.
Nachdem Walkers 2013er-Debüt ´All Kinds Of You´ und ´Primrose Hill´ eher Verbeugungen vor seinen Helden des Folk-Jazz der 70er-Jahre waren, ist ´Golden Sings That Have Been Sung´ nun in gewisser Weise die erste wirkliche Ryley-Walker-Platte. Eine Beschreibung, die den sympathischen Strubbelkopf sichtlich freut, hat er doch dieses Mal deutlich mehr Zeit investiert. Waren die Improvisationen des Vorgängers mit Musikern der Experimental-Combo Health And Beauty in Rekordzeit eingespielt worden, nahm sich Walker nun über Weihnachten 2015 zwei Wochen Zeit, um die Songs gemeinsam mit seinem Wunschproduzenten, Wilco-Multiinstrumentalist LeRoy Bach, aufzunehmen.
„Ich habe mich noch nie so sehr auf kleine Details konzentriert“, erklärt er den Unterschied zu den vorangegangenen Werken – und lobt seine Band.
„Die vielen Auftritte der letzten Monate haben uns zu besseren Musikern gemacht und wir haben untereinander nun eine viel engere Beziehung“, ist er überzeugt. „Zudem sind wir mit uns selbst viel mehr im Reinen. Die gewonnene Erfahrung, das regelmäßige Proben und das ständige Unterwegssein haben sich ohne Zweifel auf die neuen Songs niedergeschlagen.“
Bislang stand für Walker stets die Musik im Vordergrund, die Texte waren derweil oft nicht mehr als ein unbedeutendes Anhängsel. Das änderte sich, als er Ende letzten Jahres von seiner Mammuttournee in seine alte Heimatstadt zurückkehrte und sich an das Schreiben neuer Songs machte.
„Ein großes Ziel war für mich, dass die Texte auf der neuen Platte eine größere Rolle spielen, und ich bin sehr glücklich mit dem, was dabei herausgekommen ist“, gesteht er.
Erstmals schrieb er Texte abseits der Musik, anstatt beides zu verbinden. „Das hat mit die Möglichkeit gegeben, einen separaten Fokus auf die Worte zulegen“, erklärt er. Der Grund für die neue Herangehensweise ist denkbar simpel. „Ich war auf den vorherigen Platten einfach nie zufrieden mit den Texten. Ich wollte, dass sie dieses Mal nicht nur eine Hommage sind, sondern viel persönlicher. Man sollte sich wirklich darin wiederfinden können. An diese Art ungemeine Ehrlichkeit hatte ich mich zuvor noch nie herangetraut.“
200 Konzerte hat Walker nach der Veröffentlichung von ´Primrose Hill´ solo und mit seiner Band absolviert und so seinen Ruf manifestiert als einer der letzten wahren Barden alter Schule, der keine eigene Wohnung hat und unterwegs daheim ist. Folglich kann er es kaum erwarten, mit der neuen Platte im Gepäck endlich wieder auf Welttournee zu gehen: „Ich habe viele Ängste und immer mal wieder Anflüge von Depressionen, aber rund um den Globus reisen zu können, macht mich sehr glücklich“, verrät er abschließend.
„Ich bin einfach verrückt nach dem Troubadour-Lifestyle!“
Aktuelles Album: Golden Sings That Have Been Sung (Dead Oceans / Cargo) Vö: 19.08.
Weitere Infos: www.ryleywalker.com Foto: Tom Sheehan