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Werner Büttner. Gemeine Wahrheiten

Weserburg | Museum für moderne Kunst Bremen



Plakativ und schemenhaft wirft Werner Büttner eine Botschaft in die Gesellschaft hinein, deren provokanter Inhalt dem Ausstellungstitel bemerkenswert gerecht wird. „Meine Frau liest und Deine?“ (1993) spielt mit einem erweiterten Emanzipationsbegriff, Aussage, von einem Mann getroffen, vermag das Blut in den Adern engagierter Feministinnen gefrieren zu lassen.

Links: Die Avantgarde von hinten, 2011, Öl auf Leinwand, © Werner Büttner, Foto: Egbert Haneke
Rechts: Meine Frau liest und Deine?, 1993, mit Öl übermalte Laienarbeit auf Holz, Slg. Falckenberg, © Werner Büttner, Foto: Egbert Haneke
Unten: Badende Russen II, 1982, Slg. Landesbank Baden Württemberg, © Werner Büttner, Foto: Harro Weber
Werner Büttner aber sagt nichts anderes, als daß die Emanzipation der Frau in seiner Partnerschaft längst Früchte getragen hat. Meine Frau liest und steht nicht nur am Herd, sie wäscht nicht nur Kleidung und Bettzeug sondern schaut auch mal in der Literatur nach, was es neben der Hausarbeit noch Interessantes zu entdecken gibt. Und was macht Deine, fragt Büttner, ist die auch schon so weit? Man ahnt, daß die Frage sich nur an einen Mann richten kann, dem vielleicht noch die Hände gebunden sind und der den Aufbruch der Frau aus ihrer – frei nach Kant – selbstverschuldeten Unmündigkeit noch nicht unterstützen kann.
Zurück zur Malerei lautete eine These der sogenannten „Jungen Wilden“, eine locker geschmiedete Künstlergruppierung, die Anfang der achtziger Jahre einer Abkehr von der Konzeptkunst das Wort redete und mit heftiger, farbenkräftiger und oft provozierender Malerei, die, besonders durch Werner Büttner, ihre sarkastische, ironische und humoristische Seite hervor kehrte, in das Kunstestablishment hinein preschte. „Gemeine Wahrheiten“ zeigt als bisher umfangreichste Ausstellung rund dreihundert Bilder, Zeichnungen, Collagen und Skulpturen von Werner Büttner, der 1954 in Jena geboren wurde und der nach Stationen in München und Berlin heute in Hamburg lebt. Schon frühzeitig kehrte er dadaistisch-anarchische Frech- und Feinheiten hervor, die nicht nur die damals zeitgenössische Kunst entblößten sondern die auch in gesellschaftlichen Wirklichkeiten un/gehörig herum wirbelten. Mit Albert Oehlen gründete er 1976 die „Liga zur Bekämpfung des widersprüchlichen Verhaltens“und wurde zwei Jahre später mit Oehlen wegen eines Wandbildes in der Hamburger Buchhandlung „Welt“ wegen pornografischer Darstellungen angezeigt. Büttner war Mitbegründer von Organisationen wie dem „Dum-Dum-Liga-Journal“ und richtete 1980 mit Albert Oehlen und Georg Herold eine Samenbank für DDR-Flüchtlinge ein. Seit 1989 besetzt er eine Professur an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg.Büttner. Oehlen. Kippenberger. Motive und Themen dieses Dreigestirn provozierender Kunst gab in vielen Arbeiten der etablierten Malerei der Lächerlichkeit preis. Bewusst „naiv“ und lapidar geschaffene Bilder, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit wankten und schwankten, attackierten gezielt gute Geschmacks- und Qualitätskunst. In vielen Arbeiten konnte man noch die „No Future“-Philosophie der Punks und des New Wave beobachten, Werner Büttners ruppige und grobschlächtige Malweise erzürnte die Kunstkreise, die die Deutungshoheit über Kunst für sich reklamierte. „Die Avantgarde von hinten“ (2011), das sind auch nur nackte Pferdehintern vor grün-gelbem Hintergrund, die in Formation von schwarzgewandeten Reitern im Zaum gehalten werden. Werner Büttners Humor zeigte sich in ironischen Bildinhalten, die, wie etwa „Badende Russen“, gar nichts von dem zeigten, was der Bildtitel aussagte. Badende Russen sucht man in dem Gemälde von 1982 vergeblich, lediglich ihre Stiefel und Uniformjacken liegen zurückgelassen am Strand. „Der antifaschistische Schutzwall“ (1988) zeigt das Brandenburger Tor, dem der Maler seitlich rechts und links je eine Hand montierte, deren Fingerstellung an eine Pistole erinnert. „Das Leben mutet einem ja einiges zu,“ sagt Werner Büttner, „unter anderem gibt es, und das hat mich immer interessiert, gemeine Wahrheiten, wo sich das Leben mehr oder weniger selbst denunziert. Die habe ich immer gesucht, damit wollte ich mich beschäftigen. Die zweite Bedeutung von 'Gemeine Wahrheiten' sind natürlich auch allgemeine Wahrheiten oder Gemeinplätze, das sind Wahrheiten, mit denen die Menschen das Leben denunzieren. Diese beiden Aspekte werden Sie auf diesem Parcours immer wieder finden.“ Werner Büttner ist ein wiederkäuender Künstler, der das, was er als gesellschaftliche Realität erlebte, durch seinen ureigenen künstlerischen Verdauungsvorgang in veränderter, kommentierter, ironischer Weise der Realität zurück gibt. Illusionslos, manchmal krawallig, sezierte Büttner mit seinen Malerkollegen, von denen Oehlen und Kippenberger immer etwas bekannter waren als er, die Sesshaftigkeit der Kunst, d.h. die in museums- und galerieadäquater Ästhetik gesellschaftlich anerkannte. Die Ausstellung konzipierten die Kuratoren Peter Weibel und Andreas Beitin zunächst für das ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. In Bremen wird die Ausstellung vom stellvertretenden Direktor und Hauptkurator Peter Friese in enger Zusammenarbeit mit Werner Büttner aufbereitet und in einer neuen Fassung gezeigt. 27.10.2013 – 23.02.2014 Weserburg | Museum für moderne Kunst, Teerhof 20, 28199 Bremen Tel.: 0421-598390 E-Mail: mail@weserburg.de Geöffnet: di – so 11 – 18 Uhr, do 11 – 20 Uhr Eintritt: 8/5 Euro Katalog: 49,80 Euro (Hatje Cantz Verlag)
Weitere Infos: www.weserburg.de


Oktober 2013
Werner Büttner. Gemeine Wahrheiten
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