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MARIEE SIOUX

Ritterschlag vom Prinzen

MARIEE SIOUX

Nein, so unbekannt, wie mancher in Deutschland das vielleicht vermutet, ist Mariee Sioux beileibe nicht. Bereits vor Jahren tourte die Singer/Songwriterin aus Nevada City, Kalifornien, gemeinsam mit Alela Diane, ihrer Freundin seit Kindertagen, ausführlich durch Europa oder eröffnete Shows ihrer Seelenverwandten Hope Sandoval, bevor pünktlich zur Veröffentlichung ihres ausgezeichneten zweiten Albums, "Gift For The End", der Ritterschlag folgte: Kein Geringer als Billy "Prince" Bonnie alias Will Oldham lud sie zu gemeinsamen Sessions ein.

"Er hat ein Selbstvertrauen, das eigentlich gar kein wirkliches Selbstvertrauen ist: Er weiß einfach, dass er's draufhat, ohne deshalb arrogant zu sein", schwärmt sie im Westzeit-Interview von den Sessions mit dem Prinzen des schrägen Indie-Folks, deren Ergebnisse unlängst auf einer limitierten Doppel-Vinyl-Single erschienen. "Er kann einfach in den Raum kommen, die Stimmung aufsaugen und anfangen zu singen, ohne sich Gedanken zu machen. Das war unglaublich, ihm dabei zuzusehen. Was auch immer 'Das Ding' ist, das so schwer zu beschreiben ist, er hat's!" Ähnlich wie sich Oldham beim Singen von seinen Instinkten leiten lässt, hört Mariee Sioux beim Texten auf ihr Bauchgefühl. "Es kommt vor, dass ich zunächst selbst nicht weiß, was ich mit dem sagen will, was ich da geschrieben habe, weil es sehr abstrakt ist", gesteht sie. "Oft passieren dann allerdings Dinge in meinem Leben, die sich mit dem überschneiden, was ich zuvor in den Texten angesprochen habe, und ihnen Sinn geben. Es ist allerdings keine sich selbst bewahrheitende Prophezeiung und auch nicht so verrückt, wie es sich vielleicht im ersten Moment anhört. Ich denke, ich war innerlich einfach schon 'auf dem Weg', und rückblickend kann ich die Entwicklung dann nachvollziehen."
Eine hörbare Entwicklung stellt auch Mariee Siouxs just veröffentlichtes zweites Album dar, das sie Mitte Mai auch ausgiebig auf deutschen Bühnen vorstellen wird. Die mehrjährige Entstehungszeit war dabei allerdings nur teilweise der Überlegung geschuldet, dass mehr Zeit zu größerem künstlerischen Tiefgang führen würde. Vielmehr waren es wirtschaftliche Zwänge, die dazu führten, dass die Aufnahmen immer wieder unterbrochen werden mussten. Dennoch ist die Sängerin und Gitarristin rückblickend glücklich darüber, dass sich der Aufnahmeprozess so lange hinzog. "Ich denke, man hört es der Musik auch an, dass wir unter keinerlei Zeitdruck standen und so lange an der Platte arbeiten konnten, bis jeder Song so klang, wie ich mir das vorgestellt hatte", ist sie sicher. "Wir haben das Album sogar selbst abgemischt, und auf diese Weise habe ich unglaublich viel über den Entstehungsprozess einer Platte gelernt."
Hielt auf ihrem 2008 veröffentlichten Erstling "Faces In The Rocks" bisweilen noch die Indianerflöte alles zusammen, verschiebt sich das Interesse der 27-Jährigen nun ein Stück weit in Richtung Psychedelik, zudem ist spürbar, dass sie sich inzwischen in ihrer Haut als Musikerin wesentlich wohler fühlt. Ihre Nervosität beim Performen hat sie ebenso hinter sich gelassen wie den naiven Charme ihrer Frühwerke. Die von ihrem Boyfriend Sean Kae ausgearbeiteten dichten Arrangements, die sich bisweilen wie ein Schleier über die Songs legen, sind aufwendiger, der Gesang ist betonter und mit feinen Harmonien unterfüttert. Angenehm sperrig bleiben die Stücke aber dennoch, sodass keine Verwechslung mit den derzeit angesagten Kuschel-Folk-Pop-Künstlern zu befürchten ist. Damit unterstreicht Mariee Sioux, dass ihr die Genre-Schublade "Traditioneller Folk", in die ihr Debütalbum gerne einsortiert wurde, viel zu eng ist. "Ich fühle mich mit sehr viel Musik abseits des Folks verbunden", bekräftigt sie und bekennt sich zu einem Faible für die sphärischen Klänge von Enya und die experimentellen Soundlandschaften der Cocteau Twins. "Zu Hause spiele ich zum Beispiel oft elektrische Gitarre, und ich frage mich: Wenn ich das auch auf der Bühne täte, würden die Menschen meine Musik immer noch als Folk bezeichnen?"

Aktuelles Album: "Gift For The End" (Almost Musique/Broken Silence)
Weitere Infos: › www.marieesioux.com Foto: Tom Cops


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