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LITTLE AXE

Ganz oder gar nicht

LITTLE AXE

Der Mann ist 57. Die Furchen in seinem Gesicht erzählen von den vielen, vielen Jahren in der Branche und als ich ihn in einem Müchner Brauhaus bei Braten und Weißbier treffe, mache ich mir Sorgen um seine Gesundheit, denn er wirkt zerbrechlich, man möchte ihm glatt einen Zivildienstleistenden zur Seite stellen. Aber wenn dann die Sprache auf die Musik kommt, vor allen Dingen den Blues, dann leuchten seine Augen, dann glaubt man ihm unbenommen die vielen Projekte, die er noch plant, dann ist Skip McDonald (bürgerlich Bernard Alexander) in seiner eigenen Welt. Und Doug Wimbish ruft vom Nachbartisch herüber: „Yeah, listen to Skip! Skip McDonald! The captain of our show!“ Und der alte Mann spricht.

„Mein Vater hat mich zum Blues gebracht. Er arbeitete immer Spätschicht und kam gegen elf Uhr heim. Es war also immer schwer mich ins Bett zu kriegen, denn ich wollte noch hören, wie er auf der Gitarre spielte und dazu sang. Mit fünf Jahren sang ich dann im Gospel Chor und mit neun Jahren hatte ich meine eigene Band. Wir spielten natürlich Blues und Gospel. Wir hatten zwei Orgelspieler, keinen Bass und fünf Leute die sangen. Und was mache ich heute? Ich mache New Age-Blues. Blues mit einem etwas anderen Einschlag. Blues mit Loops und Samples und all dem Kram.“

Wie reagiert denn die Blues Community darauf?

„Nun, einige kommen auf die Konzerte, sehen die Laptops und gehen gleich wieder. Doug nennt diese Leute immer „the music police“. Denen ist das dann nicht rein genug, die meckern an den Songs rum und behaupten, wir hätten nicht den wahren Blues. Aber OK, diese Leute sind mir lieber als die lauwarmen Typen, die gar nicht wissen, was sie wollen. Man muss heiss oder kalt sein, alles dazwischen ist nichts. All die alten Jungs Skip James, Otis Redding, ja sogar Hank Williams und Johnny Cash, hatten etwas, das besonders war. Man legte ein Platte von ihnen auf und nach vier Takten wusste man, wer da spielt. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre klang dann auf einmal alles gleich, alle wollten irgendwie dasselbe machen und man konnte keine Unterschiede mehr hören. Und darum geht es mir, meinen ganz eigenen Sound und Stil zu haben, den die Leute erkennen. Heute riskieren die meisten doch gar nichts mehr. Viele haben einfach nur Angst, etwas falsch zu machen und machen deshalb immer dasselbe. Sie spielen jeden Abend das gleiche Solo, alle Songs immer gleich. Sie versuchen nicht einmal, etwas besonderes zu machen. Da frage ich mich, warum suchen die sich nicht einen normalen Job!? Entweder hat man die Leidenschaft für die Musik oder man lässt es sein. Für mich ist jeder Auftritt wie Bungee-Jumping, ich weiß niemals, was auf der Bühne passieren wird. Gerade gestern hatten wir einen Stromausfall als Doug sein Basssolo spielte. Na und? Keith ist einfach mit einem Drumsolo eingesprungen und als wir wieder Strom hatten, hat Doug genau da weiter gemacht, wo er aufgehört hatte. So muss das sein. Wir haben gerade einige Gigs mit Mark Stewart hinter uns, einige waren genial, manchmal haben wir den Saal leer gespielt (lacht sich schlapp) - aber das ist Mark, und das ist mir immer noch lieber als der ganze lauwarme Kram.

Und wenn man diese Leidenschaft hat, hey, dann kann man überall spielen. Doug und ich, verdammt, wir haben überall gespielt! Im Knast, im Altersheim, in Bücherläden, auf Folk-Festivals - wir könnten jetzt gleich hier im Brauhaus loslegen. Wenn du die Musik liebst und beherrscht, spielt es keine Rolle wo du auftrittst, Hauptsache du bist voll bei der Sache.“

Ich schaue auf die. 20:50 Uhr. Um 21 Uhr soll der Auftritt sein. Hey, Skip, musst du nicht mal langsam los?

„Oh, shit, so spät!? Dann gehe ich mich besser mal umziehen. Wir reden nach der Show weiter.“

Das haben wir getan, denn man trifft nicht oft jemanden der viel zu erzählen und dabei noch was zu sagen hat.

Aktuelles Album: Stone Cold Ohio (Real World/ Virgin)


Foto: York Tillyer

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