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TARWATER

Die Kinder John Peels

TARWATER

Mit neun Jahren müssen Tarwater nun alleine zurechtkommen. Von Beginn an hat sich der größte Radio DJ aller Zeiten rührend um Bernd Jestram und Ronald Lippok gekümmert, letztes Jahr ist er mit Mitte 60 viel zu früh gestorben. Ganze drei Mal hat er die beiden Ostberliner zu seinen legendären Sessions eingeladen. Und wenn Tarwater eingeladen waren, hieß das nicht, dass Bernd und Ronald in den Maida Vale Studios ihre vier Songs einspielten und wieder abreisen konnten, ohne den Meister persönlich zu Gesicht zu bekommen (wie eine Peel Session meistens abgelaufen ist). Tarwater gehörten für Peel schon zur Familie und deshalb brachte er zur letzten Session sogar seine Familie mit in die Genesis Studios in Liverpool, um zu ihren Tracks Happy House aufzulegen. Ihr neues Album ist ihm gewidmet.

Wie gesagt, diese Zeiten sind vorbei. So wie einiges für Tarwater mittlerweile vorbei ist. Auch die Bindung an das Berliner Indielabel Kitty-Yo ist heute Geschichte. Neben Kante waren Tarwater der einzige Act, der noch seit Gründung des Labels mit an Bord war. Ihr fünftes Album „The Needle Was Travelling“ erscheint diesen Monat bei den Berliner Kollegen von Morr Music.

„Die Entscheidung, das neue Album bei Morr rauszubringen, war mehr eine Entscheidung pro Thomas (Morr), als contra Kitty-Yo. Der Vertrag war einfach ausgelaufen und wir hatten schon zur letzten Platte das Gefühl, dass uns ein neuer Kontext ganz gut tun würde. Morr Music war somit unser Wunschlabel, wir hatten uns keine Alternativen überlegt und sind nicht mit dem fertigen Album von Plattenfirma zu Plattenfirma gezogen. Für uns war wichtig, dass wir weiterhin mit einem Berliner Label zusammenarbeiten. Unser Arbeitsumfeld ist gleichzeitig auch unser Freundeskreis und wir wollen diese Familie einfach zusammenhalten. Für Morr ist unsere neue Platte auch etwas ganz neues, denn es ist das erste Mal, dass er mit einem bereits seit Jahren etablierten Act zusammenarbeitet. Bisher hat er seine Künstler ja über längere Zeit aufgebaut, das fällt bei uns weg.“
Auf dem neuen Tarwater-Album steht also nicht nur was Neues drauf, sondern es ist auch was Neues drin. Und zwar nicht nur die neue Musik, sondern auch ein neuer Sound. Bernd Jestram, der als Musiker und Studiobetreiber immer für die Klangästhetik der Band zuständig ist, ist mit Sack und Pack umgezogen und hat wieder ein neues Studio eingerichtet.
„Ein neues Studio ist für uns immer wie ein neues Instrument. Da wir nicht proben, sondern uns zum arbeiten treffen, nehmen wir immer sofort alles auf, was wir zusammen machen. Ohne Studio könnten wir also gar nicht existieren. Für mich war einfach eine neue Struktur nötig geworden, denn in meinem vorigen Studio wurde ich immer mehr zum Sound-Dienstleister und das ließ sich einfach mit meinen Interessen als Musiker nicht mehr vereinbaren. Jetzt kann ich viel weniger Möglichkeiten anbieten, habe mein Studio aber viel mehr auf meine Bedürfnisse als Musiker zugeschnitten. Wenn ich jetzt für andere Bands arbeite, müssen das schon ganz spezielle Sachen sein, die nicht das klassische Studio-Programm von mir verlangen. Wie jetzt z. B. Bohren und der Club Of Gore, für deren neues Album ich das Mastering gemacht habe.“
Neben der zunehmenden Kürze der Tracks und der dadurch fortschreitenden Annäherung ans Pop-Format (nicht Format-Pop!) haben sich Tarwater für die Aufnahmen generell mehr in Band-Kontexte begeben. So entstanden die Basics der neuen Stücke immer ganz klassisch mit Gitarre und Klavier oder Ronald summte eine kleine Melodie – Songwriting eben. Zu diesem akustisch-organischen Miteinander passte dann auch, dass während der Produktion die zufällig vorbeischauenden Freunde wie selbstverständlich auf der neuen Platte landeten.
„Während der Aufnahmen konnte es leicht sein, dass Freunde von uns einfach nur auf ein Bier vorbeikamen und schon haben wir ihnen eine Gitarre in die Hand gedrückt. Wenn die richtige Person in der richtigen Stimmung zum richtigen Zeitpunkt anwesend ist, muss man das einfach erkennen und nutzen. Wir haben die vielen Kollaborationen nicht geplant, die sind einfach so passiert. Zum Glück.“

Aktuelles Album: The Needle Was Travelling (Morr Music/Hausmusik/Indigo)
Weitere Infos: › www.tarwater.de

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