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KRISTOFER ASTRØM

Selbst ist der Mann

KRISTOFER ASTRØM

Das letzte Lebenszeichen des schwedischen Songwriters Kristofer Åstrøm war ein Projekt von 2016 mit der Göteborg String Session, wobei der Meister in dem ungewöhnlichen, auf 400 Exemplare limitierten Format Vinyl-LP und DVD eigene, ältere Songs in einem orchestral-akustischen Umfeld neu interpretierte. Das nun vorliegende, aktuelle Album „Hard Times“ ist also das erste Werk mit neuem Songmaterial seit „The Story Of A Heart's Decay“ aus dem Jahr 2015. Zu erklären ist diese lange Pause zweifelsohne damit, dass Kristofer als glücklich verheirateter Familienvater ja zweifelsohne gut beschäftigt ist, und erst ein Mal ein Format finden musste, in der er seiner Berufung Vortrieb leisten konnte. Wie sah denn dieses am Ende aus?

„Nun, als ich anfing, mich mit dem Projekt zu beschäftigen, hatte ich einen Dayjob, den ich dran gab, weil ich die Möglichkeit hatte, einige Monate zu Hause zu verbringen. Ich habe also mehrere Monate nichts anderes gemacht, als Songs zu schreiben – und dabei wesentlich mehr geschrieben, als ich jetzt verwenden konnte. Das war insofern interessant, als dass ich während dieser Zeit nicht besonders viel andere Musik angehört habe, sondern mich auf das bezogen habe, was ich früher selber gemacht habe.“

Was dann den Sound der neuen Scheibe erklärt. Musste Kristofer dafür seine Technik als Songwriter ändern?

„Nein - ich musste mich nur sehr stark organisieren: Die Kinder mussten in den Kindergarten gebracht werden, dann habe ich an meiner Musik gearbeitet, dann die Kinder aus dem Kindergarten geholt und dann gab es Familienzeit. Ich musste das Ganze also mehr oder minder als Job betrachten. So etwas habe ich zuvor noch nie in dieser konzentrierten Form gemacht.“

Das bedeutet ja wahrscheinlich, dass Kristofer die Songs nicht in der Nacht schrieb, obwohl sie alle sehr düster sind und sich sogar ein Track namens „Night Owl“ auf dem Album befindet.

„Nein – keiner von den Songs ist bei Nacht entstanden“, räumt Kristofer ein, „ich habe die Songs eigentlich wie immer geschrieben: Mit der Gitarre in der Hand und dem Bestreben, gute Melodien zu finden. Wir haben uns allerdings für die Aufnahme-Sessions in ein Landhaus in der Mitte Schwedens zurückgezogen und dort drei Tage rund um die Uhr gearbeitet. Das war ein gutes, kreatives Umfeld für uns und hat sicherlich zur Stimmung der Aufnahmen beigetragen.“

Warum geht es in Kristofers Songs eigentlich immer so düster zu? Ist es Kristofer vielleicht sogar zu langweilig, über glückliche Momente zu schreiben?

„Ja, in der Tat“, räumt er schmunzelnd ein, „das habe ich mir auch immer gedacht. Ich kann es zwar genießen, auch mal einen fröhlichen Song zu hören – tief in meinem Herzen berührt mich aber so etwas nicht. Sowas macht gar nichts für mich.“
In dem Song ersten Track des Albums „Inbetweener“ singt Kristofer zwar ausdrücklich davon, dass der von ihm besungene Charakter gar kein „Inbetweener“ sein wolle – aber ist er nicht im Grunde genommen doch selber solch ein Typus?

„Daran habe ich noch gar nicht gedacht“, überlegt er, „aber vielleicht ist das tatsächlich so, da könntest Du schon recht haben. Ich saß ja zum Beispiel in Bezug auf musikalische Genres und Stile immer schon irgendwie zwischen den Stühlen.“

Und macht dabei eigentlich das, was er machen möchte. Das mal eingedenk: Für wen schreibt Kristofer dann eigentlich seine Songs?

„Eigentlich nur für mich“, lacht er, „ich habe das immer so gemacht. Ich habe auch immer gesagt, dass ich zwar Musik mache und mich freue, wenn die anderen gefällt – aber ich kann dabei nicht in Betracht ziehen, wie andere möchten, dass ich klingen sollte. Das wäre für mich der Todesstoß. Ich habe mal versucht, Musik für Werbung und Ähnliches zu schreiben – aber es ist wirklich schwer Musik zu schreiben, von der Dir andere vorgeben, wie sie klingen sollte. Ich sage Dir: Das tötet meine Seele.“

Aktuelles Album: Hard Times (Startracks / Indigo)

Foto: Ellika Henrikson


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