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JASON ISBELL AND THE 400 UNIT

Wissen, was wichtig ist

JASON ISBELL AND THE 400 UNIT

„Ich möchte nicht in einen Trott geraten und Platten machen, die immer gleich klingen“, sagt Jason Isbell, als wir ihn Ende März in seinem Heim vor den Toren von Nashville erwischen. Auf seinem neuen Album ´Reunions´ inszeniert der ursprünglich aus Alabama stammende Tausendsassa seine evokativen Storyteller-Songs deshalb in einem oft gedämpften, aber betont detailliert ausstaffierten Americana-Sound, der auf klassischen Tugenden fußt, aber nicht auf Teufel komm raus in der Vergangenheit verharrt. Hemdsärmelige Springsteen´sche Grandezza weicht bisweilen Dire-Straits-Eleganz.

Jason Isbell kennt sie, die Fallen, die das Musikerdasein und der Erfolg oft fast zwangsläufig mit sich bringen. Keine zehn Jahre ist es her, dass sein Leben in Trümmern zu liegen schien. Alkohol und Drogen hatten ihn fest im Griff, seine erste Ehe war gescheitert. Mit den richtigen Menschen in seinem Umfeld gelang es ihm 2012 schließlich, sich aus der Talsohle zu befreien und mit ´Southeastern´ - gewissermaßen das Tagebuch seines Weges zurück ins Licht – ein Album aufzunehmen, das auch künstlerisch einen Wendepunkt in seiner vor rund zwei Jahrzehnten bei den Drive-By Truckers begonnenen Laufbahn bedeutete. Knapp ein Jahrzehnt später ist der grundsympathische Amerikaner mit dem einschmeichelnden Südstaatenakzent ein mehrfach Grammy-prämierter Star der Alt.Country-Szene, in zweiter Ehe glücklich mit der Musikerkollegin Amanda Shires verheiratet, Vater einer vierjährigen Tochter und die Bodenständigkeit in Person.

„Es ist mir sehr wichtig, dass ich Menschen um mich habe, die mich zurechtweisen, wenn ich Blödsinn verzapfe“, sagt er. „In der Entertainmentbranche scheint es üblich zu sein, dass man nach einer Weile nur noch von Ja-Sagern umgeben ist. Wenn das passiert, kannst du als Mensch und Künstler nicht mehr wachsen. Je älter ich werde, desto mehr konzentrieren sich meine Gedanken auf kreative Belange und meinen Wunsch, mich als Mensch weiterzuentwickeln. Das Ziel ist, bessere Songs zu schreiben, und wenn das den lieben langen Tag deine einzige Herausforderung ist, dann kannst du dich wirklich nicht beklagen!"

Zu wissen, was wichtig ist – das gilt ganz besonders auch für den Texter Isbell. Die Erinnerung an die schweren Zeiten ist bis heute in seinen Liedern genauso lebendig wie sein Leben in Abstinenz. Auf seinem neuen Album gibt es bewegende Blicke auf Jugend und Kindheit, ein tiefes Eintauchen in die Herausforderungen von Beziehungen und tief persönliche Lieder über Alkoholismus und Elternschaft.

"Wenn ich mich zum Schreiben hinsetze, habe ich nur selten Fingerübungen im Sinn“, sagt er über seine Herangehensweise. „Für gewöhnlich bin ich auf Songs aus, die ich behalten kann. Um das zu erreichen, muss ich bei den ursprünglichsten Emotionen ansetzen: ´Was fühle ich gerade?´"

Dabei hilft ihm, dass ihm heute Editieren seiner Lieder leichter fällt und er Klischees schneller identifizieren und eliminieren kann.

„Ich bin heute auch besser darin, meine Texte universeller zu gestalten“, ist er überzeugt. „Das ist gar nicht so leicht, ohne nicht vage zu klingen. Der Trick ist, sich auf die richtigen Details zu fokussieren, und genau das ist für mich die größte Herausforderung: Wie schaffe ich es, mit einer streng begrenzten Anzahl an Details das Publikum dorthin zu transportieren, wo ich es haben will?“

Auch klanglich ist Isbell sehr geschickt darin, sich künstlerisch weiterzuentwickeln, gleichzeitig aber auch nie seine musikalischen Wurzeln aus den Augen zu verlieren: ein Spagat, der ihm nach eigenem Bekunden leichtfällt.

"Zum Glück ist mein Musikgeschmack seit jeher breit gefächert, deshalb ist es für mich praktisch unmöglich, mich zu weit von meinen Wurzeln zu entfernen“, ist er überzeugt. "Ich mochte schon immer John Prine, Merle Haggard und The Carter Family, aber auch Janet Jackson und Prince oder Crowded House und ´Til Tuesday. Trotz der Gegensätze waren es diese Künstler, die mir beigebracht haben, zu spielen und zu schreiben."

Er hält inne und fügt dann lachend hinzu:

"Ich wüsste überhaupt nicht, wie ich mich dieser großen Bandbreite als Songwriter entziehen könnte."

Aktuelles Album: Reunions (Southeastern Records / Thirty Tigers / Membran) VÖ: 15.05.


Weitere Infos: jasonisbell.com Foto: Alysse Gafkjen

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