Retro ist in. Auch die in Berlin lebende Britin Gemma Ray bedient sich mit viel Understatement in der Vergangenheit, ohne allerdings nur ein Abziehbild ihrer Helden und Heldinnen der 60er-Jahre zu sein. In Oberhausen macht sie gleich zu Beginn aus ´900 Miles´ der legendären Blues-Chanteuse Odetta eine knisternde Pop-noir-Nummer, während man beim Wüsten-Blues ´The Wheel´ den Schatten von Nick Cave zu erkennen glaubt und sie mit dem Twang von ´Desoto´ nicht weit von Tarantinos Soundtracks entfernt ist. Passend dazu kultiviert sie ihr Bad-Girl-Image, indem sie gleich mehrfach ein Messer zückt, um damit die Saiten ihrer Gitarre wirkungsvoll zu malträtieren, und die Effektgeräte zu ihren Füßen erbarmungslos heulen lässt. Dabei reduziert sie die Arrangements der auf ihren Platten oft üppig orchestrierten Songs auf ein Minimum, erhöht so aber wirkungsvoll die Intensität und Wirkung ihrer hochkonzentrierten, beeindruckend selbstbewussten Performance. Ihr Labelboss Andy Zammit, der bisweilen gleichzeitig Schlagzeug und Keyboards spielt, ist ihr einziger ständiger Begleiter an diesem Abend. Für wenige Nummern stößt auch noch der ebenfalls in Berlin gestrandete Australier Ned Collette am Bass dazu, der im Vorprogramm mit willkommen bröckelnder Stimme gefallen hat und teils mit atmosphärischer Elektronikuntermalung in die Folk-Welten von Nick Drake und Leonard Cohen abgetaucht ist. Die lässige Sinnlichkeit, die in vielen Songs Gemmas angedeutet wird, kommt dennoch nie besser zum Tragen als bei den Solo-Zugaben ´Rescue Me´ und ´Shake Baby Shake‘, als die Sehnsucht und Leidenschaft in ihrer Stimme den ganzen Raum erfüllt.
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