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LYDIA LUCE

Fragen ohne Antworten

LYDIA LUCE

In unseren Breiten ist der Name Lydia Luce bislang sicherlich nur wenigen Spezialisten bekannt. In den USA hat sich die klassisch ausgebildete Geigerin und Songwriterin aber schon alleine deswegen einen Namen als „Musicians Musician“ gemacht, weil sie in ihrer Eigenschaft als Violinistin so großen Namen wie Rod Stewart, Willie Nelson, Dolly Parton, Ron Pope oder Eminem zugearbeitet hat. Auch als Songwriterin ist Lydia Luce eigentlich kein unbeschriebenes Blatt mehr, denn seit 2015 veröffentlichte sie mehre EPs, und die Alben „Azalea“ und „Dark River“ - allerdings independent. Das nunmehr vorliegende, dritte Album „Florida Girl“ ist aber nun das erste, das mit Labelunterstützung auch offiziell in unseren Breiten erscheint – auch wenn das erst mal nur digital der Fall sein wird. Mit „Florida Girl“ setzt sich Lydia bewusst von ihren Folk-Roots ab und bewegt sich klanglich auf einem experimentellen Level und arbeitet dabei mit Laurel Canyon Flair und ungewöhnlichen Arrangements, die keinem bestimmten Genre mehr zuzurechnen sind.

Auf Lydia's ersten Songsammlungen spielte das Geigen-Spiel eine große Rolle – während es auf der neuen LP „Florida Girl“ - zumindest in Reinform – kaum noch zu hören ist. Was ist denn der Grund dafür?

„Nun ein wenig gibt es ja noch auf dem letzten Song 'Minute Too Soon'“, erklärt Lydia, „ich wollte aber einfach musikalisch mal etwas anderes machen und etwas wagen. Ich habe aber vor, von dem kompletten Album noch eine 'String Version' – nur mit Gesang und Streichern - zu machen, denn ich liebe Streicher-Sounds. Die ist fast schon fertig. Ich mag es nämlich, Songs in verschiedenen Stilen zur Verfügung zu haben."

So etwas hat Lydia bereits mit ihrer ersten LP „Azalea“ gemacht, die allerdings nur auf bandcamp zu finden ist.

„Florida Girl“ ist aufgrund der zeitlichen Zusammenhänge unfreiwillig Lydias Pandemie-Projekt geworden. Das hat sich doch sicherlich auch auf das Songwriting ausgewirkt, oder?

„Ja, denn durch die Isolation in den Lockdown-Phasen musste ich mich mehr auf mich selbst konzentrieren. Ich konnte so etwa ein Problem ansprechen, über das ich ansonsten gar nicht so viel rede - denn ich habe lange Zeit mit Essstörungen zu kämpfen gehabt. Mir wurde in der Pandemie klar, dass ich mich dem Thema endlich mal stellen müsste. Mir war es wichtig, weil ich das Thema öffentlich ansprechen wollte und davon handelt dann der Song 'Face And Figure', der erst durch die Pandemie-Situation zu Tage trat. Das musste einfach mal abgearbeitet werden. Ich habe mich während der Zeit auch Online-Gruppen zu dem Thema angeschlossen."

Auf das Thema „Tod“ spricht Lydia auf diesem Album an. Der mit Lydiay's Songwriting-Partner Raymond Joseph geschriebene Song „On The Other Side“ ist eine Kontemplation darüber, was nach dem Tod wohl kommen könnte.

„Ja, der Song 'On The Other Side' ist ja eine einzige Ansammlung von Fragen über den Tod“, räumt Lydia ein, „und ich suche da gar nicht nach definitiven Antworten. Ich bin ja schließlich noch nicht gestorben – und Du auch nicht und eigentlich ja niemand, der noch lebt. Man kann sich also nur fragen, was da passiert – wird aber keine Antwort darauf erhalten. Ich habe jedenfalls keine Antwort, auch wenn es Leute gibt, die behaupten eine zu haben. Ich finde es aber wichtig, Fragen zu stellen, denn das ist es, wodurch wir überhaupt etwas lernen können."

Das heißt also: Das Projekt funktionierte dann auch auf einer therapeutischen Ebene?

„Ja, denn ich schreibe kein Tagebuch oder so etwas“, führt Lydia aus, „ich denke, Songs zu schreiben ist für mich ein Ersatz für ein Tagebuch. Raymond Joseph - mit dem ich die meisten Songs auf dem Album zusammen geschrieben habe - ist auch ein guter Freund von mir. Mich mit ihm über die Songinhalte unterhalten zu können – wobei wir beide unsere Verletzlichkeit offenbarten – hat mir sehr geholfen. Das war wirklich wie eine richtige Therapie-Sitzung. Ich denke auch, dass das in den Songs deutlich wird."

Ein weiteres Thema, das Lydia am Herzen zu liegen scheint, ist das Wasser.

„Ja, ich bin ja auch eine Geräte-Taucherin“, meint Lydia, „das Geblubber und die Geräusche, die Du auf der Scheibe hörst, stammt von meinem Tauchgängen. Und das Thema habe ich dann in den Lyrics teilweise aufgegriffen und vertieft.“

Was ist dabei die größte Herausforderung als Musikerin?

„Meine Herausforderungen sind eher physischer Natur“, überlegt Lydia, „denn ich hatte eine Menge Verletzungen. Ich kann zum Beispiel gerade nicht gut Gitarre spielen – was eigentlich mein Haupt-Instrument ist – also lerne ich nun, Klavier zu spielen. Das ist eine Barriere, mit der ich gerade zu kämpfen habe – aber eben auf der physischen Ebene. Manchmal fühlt man sich natürlich nicht so inspiriert, Musik zu machen, aber ich weiß ziemlich sicher, dass - wenn ich eine Weile warte - diese Inspiration wieder zurückkehren wird. Ich habe also keine Angst vor einer Schreibblockade oder so etwas."

Insbesondere auch wegen ihrer Vorgeschichte als Violinistin hat Lydia Luce sich ja schon so manchen musikalischen Traum erfüllen können. Gibt es aber dennoch Dinge, die sie bislang noch nicht gemacht hat, aber unbedingt irgendwann ein mal machen möchte?

„Ich würde endlich gerne mal mit einem großen Orchester spielen, denn meine Streicher-Projekte spiele ich bislang lediglich mit einem Streicher-Quintett ein – und wir schichten dann verschiedene Spuren aufeinander, um so einen orchestralen Charakter zu erzielen. Und ich finde es interessant für jeden Alben-Zyklus mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten – mit Musikern, Video-Leuten, Songwritern. Das macht so viel Spaß und es ist einfach schön, so arbeiten zu können. Ich würde sagen, dass ich mir da einen guten Beruf ausgesucht habe.

Aktuelles Album: Florida Girl (Nettwerk)


Weitere Infos: https://www.lydialuce.com/

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