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LOUPE

Eigensinn trifft Eingängigkeit

LOUPE

Eigenwillig und unkonventionell – so klingen Loupe auf ´Do You Ever Wonder What Comes Next?´, ihrem feinen LP-Erstling, mit dem das Quartett aus den Niederlanden anders als beim ungefilterten Live-Sound ihrer ersten beiden EPs ´Older´ (2021) und ´Spring ‘19´ (2022) mehr ins Details geht und raue Indierock-Unmittelbarkeit immer öfter gegen elegischen Dream-Pop-Appeal eintauscht, um neugierig und experimentierfreudig neue Wege zu gehen, ohne sich deshalb dem Mainstream an den Hals zu werfen.

Cool, intensiv und dynamisch: In den Pandemiejahren fesselte uns kaum eine Live-Band so sehr wie Loupe. Jetzt erscheint endlich das Debütalbum der Amsterdamer Band, auf dem Julia Korthouwer (Gesang, Synths), Jasmine van der Waals (Gitarre), Lana Kooper (Bass) und Annemarie van den Born (Schlagzeug) scheinbar mühelos den Sweetspot zwischen Eigensinn und Eingängigkeit finden, wenn Julia in ihren Texten über die "growing pains" des Erwachsenwerdens, die Tücken des Großstadtlebens und komplizierte zwischenmenschliche Beziehungen sinniert.

„Meine Texte sind sehr persönliche Geschichten, fast wie ein Tagebuch – aber eben ein Tagebuch, das du offen auslegst, damit alle es sich anhören können“, erklärt Julia im Westzeit-Interview ihren Ansatz. „Als ich anfing, Texte zu schreiben, waren sie sehr vage und poetisch. In den letzten zwei Jahren habe ich mich der Herausforderung gestellt, direkter und mehr auf den Punkt zu schreiben. Es ist sehr schwierig, das zu tun, weil man sich nicht mehr um das Problem winden kann. Du musst völlig ehrlich zu dir selbst und den Menschen um dich herum sein."

Ein Beispiel dafür ist gleich die erste Nummer des Albums, ´I Keep Changing´.

„Den Text habe ich tatsächlich während einer Trennung fertiggestellt, was das Schreiben noch schwieriger machte“, gesteht Julia. „Ich glaube, es hat zwei Tage gedauert, um den Gesang aufzunehmen, weil ich die ganze Zeit anfing zu weinen. Es ist toll, dass wir es trotzdem geschafft haben, das Lied auf die Platte zu bringen, und nun das Album damit eröffnen."

Veränderung ist aber nicht nur im ersten Lied ein zentrales Thema. Vieles auf der LP kreist um die Frage, wie es möglich ist, dem allgegenwärtigen mentalen wie physischen Druck des Alltags Herr zu werden, und ein wenig scheint es, als sei das Songwriting für Julia als Texterin ein Weg, ihre Gedanken mit ergebnisoffenen Fragen zu sortieren.

"Ich denke, das stimmt", sagt sie. "Ich glaube, das Songwriting ist für mich ein Weg, mir selbst die Situationen zu erklären, in denen ich mich befinde, und zu ergründen, wo ich steckenbleibe."

Musikalisch setzen Loupe derweil auf mehr Tiefgang und spannen auf ´Do You Ever Wonder What Comes Next?´ einen spürbar weiteren Bogen als auf den klanglich klar umrissenen, ganz auf die großartige Live-Dynamik des Quartetts ausgerichteten EPs. Bedeutet das, dass sich die Absicht beim Musikmachen für die Band verändert hat?

„Ich denke, es ging nie um eine echte Absicht, sondern eher um das Gefühl, das Bedürfnis, etwas erschaffen zu wollen, das zu einem Teil dessen wird, was du bist“, erklärt Julia, und Lana ergänzt: „Vielleicht hat sich weniger die Absicht verändert – die Musik war schon immer ein Ventil für Emotionen, und ich denke, das wird sie auch immer bleiben –, aber die Art des Schreibens und Aufnehmens hat sich ein wenig verändert. Als wir anfingen, haben wir Songs für Live-Auftritte geschrieben und nahmen sie alle in einer Art Live-Setting auf. Für ein Album zu schreiben, hatte einen anderen Ansatz. Wir mussten nun die Aufnahme, die wir gemacht hatten, in eine Live-Version übersetzen, was buchstäblich das Gegenteil war!"

Unterstützt wurden Loupe bei den Aufnahmen von Produzent Arne van Petegem (Moss, Styrofoam) und Beau Sorenson (Death Cab For Cutie, Sparklehorse), der für den Mix verantwortlich war.

„Wir kannten Arnes Arbeit vorher nicht, aber es hat für uns alle klick! gemacht, sowohl musikalisch als auch persönlich“, verrät Jasmine. „Es fühlte sich für uns ein bisschen so an, als sei er im Schreib- und Aufnahmeprozess das fünfte Bandmitglied gewesen, aber eins, das erfahrener und organisierter ist als wir – er hat zum Beispiel für jeden Song eine Excel-Tabelle erstellt. Er hatte ganz viele coole und einzigartige Sound- und Produktionsideen und hat mich definitiv dazu inspiriert, neue Dinge auszuprobieren und ein bisschen mehr ‚out of the box‘ zu denken, speziell in Sachen Gitarrensounds."

Ein Album, das Jasmine und Loupe dabei als leuchtendes Beispiel diente, war ´Heaven Or Las Vegas´ von den Cocteau Twins, auch Terry Rileys 1972er-Doppelalbum ´Persian Surgery Dervishes´ hinterließ Spuren:

„Während unserer Zeit im Studio war ich abends meist müde, aber auch ziemlich nervös und aufgeregt ob des nächsten Tages", erinnert sich Jasmine. "Es fiel mir oft schwer, meine Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Bevor ich schlafen ging, hörte ich mir deshalb dieses Album an. Es hat viele subtile Details, auf die ich mich fokussiert habe, rhythmisch wechselnde Muster, kleine klangliche Unterschiede und verflochtene Melodielinien, aber gleichzeitig ist es Musik, die es einem ermöglicht, abzuschalten und überhaupt nicht nachzudenken."

Mit einem LP-Titel wie ´Do You Ever Wonder What Comes Next?´ als Steilvorlage müssen wir ganz zum Schluss natürlich fragen: Wohin soll diese Platte Loupe führen? Welche Hoffnungen, Träume und Erwartungen verbinden Julia, Jasmine, Lana und Annemarie mit ihren Erstling?

"Wir können uns bereits auf einige schöne Shows und Tourneen freuen, aber es wäre großartig, wenn wir als Live-Band weiter wachsen könnten und größere Venues (manchmal auch als Headliner) spielen könnten", sagt Lana. "Natürlich wäre es auch ein Traum, bei einigen der größeren Festivals überall in Europa aufzutreten. Musikalisch möchten wir neugierig bleiben und uns weiterentwickeln. Wir verändern uns und wachsen als Menschen – und das kann auch unsere Musik tun."

Akuelles Album: Do You Ever Wonder What Comes Next? (Sinnbus/Rough Trade)


Weitere Infos: thisisloupe.com Foto: Nick Helderman

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