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WHILE SHE SLEEPS

Lektionen gelernt

WHILE SHE SLEEPS

Knapp 10 Jahre nach der Gründung der Band sind While She Sleeps nicht mehr wegzudenken aus der internationalen MetalCore-Szene. Zu stark sind die bisherigen Alben der Band, die Live-Qualitäten, die Unberechenbarkeit, der Einsatz und der Wille, mit jedem weiteren Schritt noch eine Schippe draufzulegen. In einer Welt, die nicht hätte schöner sein können, folgte dann nach dem letzten Album der Bruch mit dem Majorlabel – was einst das Nonplusultra schlechthin im Rockstartraum war, wurde für die Briten wohl eher zum Dogma.

Lieber gingen die Jungs einen Schritt zurück – und dieser entsprach im Endeffekt glücklicherweise zwei Schritten nach vorn: ´You Are We´ ist ein ungemein kraftvolles Statement einer Band, die sich vollends selbst im Griff hat und auf dem Weg zu einem weiteren Genre-Klassiker glücklicherweise nur sich selbst gerecht werden musste. Westzeit sprach mit Sänger Lawrence ´Loz´ Taylor über die Entstehung des Albums, Pledge-Kampagnen, die Rolle der Fans und emotionale Höhen und Tiefen.

Ihr habt euch dem ´totalen DIY´ verschrieben, als ihr beim Majorlabel raus wart, habt eine Pledge-Kampagne mit euren Fans gestartet, um das neue Album zu finanzieren und veröffentlicht es nun doch wieder ´ganz normal´ - ist das nicht ein Widerspruch? Oder nutzt ihr einfach nur manche Mechanismen, behaltet aber trotzdem die Kontrolle?

„Wir haben den Schritt weg von Sony gemacht, weil er für uns einen Schritt nach vorne und mehr Freiheiten bedeutete. Aber nach wie vor sind wir mit einigen Organisationen verpartnert, um unseren Fans weltweit den erfolgreichen Zugriff auf unsere Musik zu ermöglichen.“

Eine solche Situation nimmt sicher gehörigen Druck vom Kessel – außer den, den man sich selbst macht. Wie schwer fällt es, das Level an Disziplin und Engagement hoch zu halten?

„Wir arbeiten alle unterschiedlich, also ist das manchmal schon ein ziemlich schwieriges Unterfangen. Wir machen uns immer einen Plan – auch einen Plan B, wenn die Dinge mal nicht so laufen, wie sie eigentlich sollten. Auf Tour ist das Ganze noch schlimmer, denn um dich herum sind nicht nur deine besten Freunde – es ist auch immer irgendwo eine Party, die höchst verlockend ist!“

Nach nunmehr 10 Jahren plus x im Business: Ist die Rolle der Fans heutzutage wichtiger geworden für Bands? Wo sie doch zum Beispiel im Voraus für ein Album bezahlen, das sie noch nie vorher gehört haben – das ist schon ein ziemlich großer Vertrauensvorschuss, oder?

„Nun, ohne Fans würde es sicherlich überhaupt keine Musik geben, oder? Unsere Fans fördern uns in der Tat sehr stark und haben das auch schon immer getan. Ja, sie vertrauen uns ihr hart verdientes Geld an, damit wir ihnen etwas ganz besonderes liefern – und wir glauben, diese Erwartung voll und ganz zu erfüllen. Als wir die Kampagne bei Pledgemusic gestartet haben, haben wir keine Ahnung gehabt, ob das wirklich funktioniert. Glück-licherweise sind unsere Fans mit die besten der Welt!“

Wenn ihr an eure Tage als Fans zurück-denkt, lange, bevor es solche Pledge-Kampagnen gab: Welchen Teil an eines klassischen Album-Release vermisst ihr am meisten (wie zum Beispiel das Veröffentlichungs-Datum herbeisehnen, an Tag X in den Plattenladen rennen, etc.)?

„Eigentlich ist heute nicht so viel anders, es gibt ja immer noch Veröffentlichungsdaten und man kann unsere Platte ja auch ganz normal im Tonträgerhandel kaufen. Aber ja, die Zeiten ändern sich – und wir bewegen uns einfach mit.“

Wo hört der Einfluss der Fans eigentlich auf? Wenn man sich solche Pledge-Kampagnen ansieht, könnte man meinen, der Grat zwischen dem Angebot von Musik (in Form eines Tonträgers, reiner Audio-Daten oder einem Konzert-Erlebnis) und dem persönlichen Sell-Out (Memorabilia, Studio-Besuche, Video-Chats) ist recht schmal...

„Wir hören immer darauf, was unsere Fans sich wünschen – und genau so haben wir die Kampagne mit PledgeMusic aufgesetzt: So, dass alle im positiven Sinne begeistert und befriedigt werden. Das geschah völlig ohne Rück-sicht auf einen schmalen Grat: Wir haben zugehört, was gewünscht war, und genau das abgeliefert.“

Verstehe ich ´You Are We´ also richtig als ein starkes Statement über Einheit und Zusammenhalt? Ist das eher ein Konzept, das nur für dieses Album gilt oder eine generelle Blaupause der Realität?

„Ja, das Album reflektiert Einheit und Geschlossenheit. Jeder ist mit dem anderen vereint in Sinne von: Was auch immer du tust, es berührt jemanden! Die ganze Welt ist auf unterschiedlichste Weisen vereint, egal wer oder was du bist. Wir schreiben über die positiven und negativen Dinge des Lebens, eben die Dinge, die wir tagtäglich sehen und erleben.“



Wieder einmal sind die Erfolgsfaktoren dieses Albums für mich drei Dinge: 1. die Einfachheit von klassischem Rock-Songwriting, 2. die unglaubliche Kraft, die ihr 5 zusammenbringt und 3. das genau richtige Maß an technischer Rafinesse und Heavyness. Denkt ihr viel darüber nach, eure Songs auch einfach konsumierbar zu machen, wenn ihr sie schreibt?

„Wir arbeiten sehr natürlich und schreiben quasi unaufhörlich weiter. Es fällt sehr leicht, unsere eigene Musik kaputt zu analysieren, während wir sie entwickeln. Also versuchen wir, das so gut es geht zu unterdrücken – obwohl es einfach menschlich ist, sich so zu verhalten. Wir haben einen gewissen ´Sleeps´-Mix in uns, der ist ganz natürlich immer der Ursprung. Und weil wir stetig neue Sachen schreiben, bekommen wir immer einen guten Mix aus Stil und Gefühl hin, den man unseren Alben auch anhört, denke ich.“

Deine Stimme klingt auf ´You Are We´ enorm stark. Wenn man daran denkt, dass Du vor ein paar Jahren ernsthafte Probleme damit hattest – war das eine Lektion, die man als praktizierende Musiker nicht vergisst?

„Wir haben auf jeden Fall gelernt, mehr auf uns Acht zu geben als in unseren Anfangstagen. Damals waren wir ein paar Kids, die sich in einer Scheune oder Garage zum Rumlärmen getroffen haben, nur zum Spaß, auf ein paar Drinks und was zu Rauchen, ohne sich aufzuwärmen etc. Klar, wir haben definitiv Lehrgeld bezahlt, aber es hat uns deutlich gezeigt, dass wir viel besser auf uns, unsere Körper und Instrumente besser aufpassen müssen. So etwas vergisst man nicht.“

Habt ihr in Sachen Vocals diesmal mehr experimentiert? Die Variabilität deiner Stimme macht manche Songs wesentlich dynamischer und verleiht ihnen etwas sehr lebendiges, sehr viel Gefühl.

„Wir experimentieren eigentlich immer im Studio. Unser Produzent Karl Brown leitet uns immer gerne in andere Richtungen und wir stehen total darauf, die Dinge frisch und aufregend zu halten. Gleichzeitig versuchen wir aber auch immer, diesen ´Sleeps´-Sound in jedem Track zu erhalten. Unsere Lieblings-Songs und -Künstler inspirieren uns genau so wie die Orte, die wir als Band oder im Urlaub besuchen. Wir entwickeln uns sehr natürlich, würde ich sagen. Und weil wir unseren Grundsound so gut kennen, wissen wir auch genau, wie wir unsere Songs manipulieren müssen, damit sie so werden, wie wir sie letztendlich haben wollen.“

Aktuelles Album: You Are We (Arising Empire / Nuclear Blast)



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