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BROILERS

Am Scheideweg

BROILERS

Für die Broilers hat das vielleicht wichtigste Jahr ihrer 15-jährigen Bandgeschichte begonnen. In den nächsten Monaten wird es sich entscheiden: Können die fünf Düsseldorfer von ihrer Musik leben, ihren Traum verwirklichen und den Sprung ins Lager der Profimusiker schaffen? Mit ihrem erfolgreichen 2007er-Album „Vanitas Recordings“ hat die Band einen mächtigen Sprung nach vorn gemacht und die jetzt erscheinende Doppel-DVD „The Anti Archives“ setzt ein weiteres Ausrufezeichen. Die großen Plattenfirmen sind längst auf die Broilers aufmerksam geworden. Bis dahin war es allerdings ein langer und auch steiniger Weg.

„Vielleicht ist das Glück nun mal einfach mit den Dummen, aber im Grunde haben wir alles richtig gemacht“, sagt Sammy. Der Sänger der Broilers weiß, dass alles auch anders hätte kommen können. Gerade, wenn man von da kommt, wo er mit seinen Bandkollegen angefangen hat: Von der Straße, aus der Szene, direkt aus der Subkultur. Punks waren sie, dann Skinheads. Pubertierende mit großem Ego und noch größerer Klappe. Aber die wurde irgendwann etwas kleiner und die Erkenntnis über ein paar Dinge wuchs.

„Zum Beispiel der Fakt, dass wir am Anfang noch rechts und links über einen Kamm geschoren haben, weil wir das als junge Skinheads so gelernt hatten. Wir mussten begreifen, dass das absolut falsch ist, links und rechts gleich zu behandeln. Denn von rechts geht die Gefahr aus. Das hat lange gebraucht. Und da war letzendlich ne Keilerei mit Faschos notwendig, um das zu erkennen. Da habe ich mir gedacht, das kann doch nicht sein, dass solche Leute unter Umständen noch versteckt auf unseren Konzerten auftauchen und unsere Musik abfeiern. Deshalb musste der Song ‚An all den Schmutz her‘, der sich explizit gegen die Fascho-Szene richtet.“

Sich selbst überprüfen, aus Fehlern lernen, sich weiterentwickeln – das ist die eine Seite der Broilers. Nicht minder wichtig ist das Festhalten an den Wurzeln, dem Fundament, auf dem die Glaubwürdigkeit basiert. Dazu gehört das Bekenntnis zum Bandnamen. So albern der auch sein mag.

„Der Name ist einfach da, und der ist schrecklich. Der klingt zwar ganz gut, aber die Bedeutung… Es gab ne Zeit – ungefähr 2000 – da dachten wir ‚scheiße, mit einem anderen Bandnamen und englischen Texten, da wären wir jetzt weiter‘. Ich feiere den Namen nicht ab, aber ich glaube, das tun die Toten Hosen auch nicht.“

Mit dem Erfolg wird der Druck auf die Band größer, Kompromisse einzugehen, Rücksicht zu nehmen für die Musikkarriere.

„Dieser Spagat zwischen dem sogenannten Business und unserem Bauchgefühl, der beschäftigt uns auf jeden Fall. Wir besprechen das oft in der Band. Was ist der gemeinsame Nenner? Was können wir ertragen und was nicht? Wir wollen die Band mit Würde weiterführen und sind eher bereit, die Band sterben zu lassen, als unseren Namen für etwas herzugeben, was nicht zu uns passt.“

Dazu gehören auch Entscheidungen, bei denen sich Mitarbeiter von Plattenfirma und Promotion-Agentur an den Kopf fassen. Wie der Verzicht auf die Chance, vor Tausenden Fußballfans bei den Saisoneröffnungen von Borussia Dortmund und Fortuna Düsseldorf zu spielen. „Wir sind halt keine Fußballfans“, kommentiert Sammy lapidar.

Entscheidungen dieser Art werden Sammy, Chris, Ines, Ron und Andi in nächster Zeit häufiger treffen müssen. Sie wissen, dass sie am Scheideweg stehen.

„Es ist im Moment realistischer als je zuvor, dass wir von unserer Musik Leben können. Es gibt auch wenig Zeit für einen anderen Job. Ich mache eigentlich nur noch die Band, und die anderen müssen ihre Jobs wohl auch runterkürzen. Dazu sind wir aber bereit, das ist das, was wir lieben. Das wäre mein Traum: Das zu machen, was ich liebe und davon leben zu können.“

Was ist richtig, was ist falsch? Es gibt im Moment viele Leute, die den Broilers einflüstern wollen, was gut für sie wäre. Zum Beispiel die großen Plattenfirmen.

„Das wird auch immer mehr. Aber wir sind im Moment extrem vorsichtig, mit wem wir uns einlassen. Wir haben schon viele Angebote in den Wind geschossen.“

Und bei People Like You eine Heimat gefunden. Bei einer Plattenfirma, die genau wie die Band irgendwo zwischen Underground- und Majorlabel steht.

„Die nächste Platte wird’s zeigen: Gehen wir in die richtige Richtung? Vergrößern wir unsere Supporter-Zahl? Oder wird’s wieder kleiner? Mit beiden Entwicklungen können wir leben.“

Aktuelle DVD: The Anti Archives (PeopleLikeYou / EMI)

Foto: Frank Thuese

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