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KLEE

Der Club der Liebenden

KLEE

Lange war es still um die Kölner Formation um Suzie Kerstgens und Sten Servaes. Das bisher letzte Studio-Album mit Eigenkompositionen landete vor knapp 10 Jahren auf Platz 6 der Longplay-Charts. Nun startet die Band mit neuen Strukturen in Eigenregie wieder durch…

Das neue Werk „Trotzalledem“ besticht nicht nur durch 13+1 subjektiv wunderbare Eigenkompositionen, sondern es hat eine klare Message: Die Liebe“. So startet der Opener „Club der Liebenden“ denn auch fulminant positiv: „Herzlich willkommen im Club der Liebenden / Im Club der hoffnungslos romantisch Gebliebenen / Alles fängt an mit deinem Lachen / Lass uns mit Liebe die Welt heller machen…“.

Ein paar Verse später gibt es mit den gesungenen Worten „Shout shout, let it all out“ eine Reminiszenz an einen großen Hit von Tears For Fears. Sängerin Suzie Kerstgens lacht:

„Ja. Da hat mich wohl der 80er Jahre Esel geritten. Ich fand es so lustig, dass `shout´ (rufen / schreien) im englischen etwas anderes bedeutet, als im deutschen Sprachgebrauch, wo `schaut´ eine Aufforderung ist wie `guckt mal hin´.“

Neben Kerstgens´ unverkennbarer Singstimme und Servaes´ Piano-/Keyboardspiel sind es auch die Bassläufe, die den Klee-Sound damals wie heute prägen. Diese Bass-Läufe erinnern ungemein an das Spiel von Peter Hook, der als Bassist bei Joy Division und New Order seinerzeit neue Maßstäbe setzte.

„Na klar. Das klingt ja nicht zufällig so. Es ist gewollt, war auch bei (der direkten Klee-Vorgängerband) Ralley damals schon so. Joy Divisions Peter Hook – das ist ein Typ, mit dem wir (musikalisch) aufgewachsen sind. Zu einer Zeit, in der man sich die Welt erschlossen hat, um eigene Musik zu finden. Durch eine eigene Musik grenzt man sich ja von Eltern und Geschwistern ab, auch innerhalb des Sozialgefüges. Welche Musikrichtung `liked´ man? Und so. Damit sind wir groß geworden. Musik transportiert in andere Sphären, die man gut findet, und so in die eigene Musik mit einfließen lassen kann.“

Damit haben Kerstgens, Servaes und Co es tatsächlich geschafft, scheinbar düstere Elemente ihrer Innovatoren, wie z.B. The Velvet Underground oder eben Joy Division, zum „Sonnenschein“ – also „hell leuchtend“ klingend- werden zu lassen. Wie auch der Albumtitel „Trotzalledem“ positiv besetzt ist.

„… zum Sonnenschein werden – das ist schön. Ich finde ebenfalls, dass `Trotzalledem´ ein schöner Titel ist. Der war gar nicht so konfektioniert, obwohl er jetzt plötzlich so wirkt, als wäre er auf die Corona-Pandemie-Zeit bezogen. Das er dazu passt, finde ich eher ätzend. `Trotzalledem´ war ursprünglich darauf `gemünzt´, dass wir jetzt so lange keine Platten mehr gemacht hatten, aber trotzdem noch da sind. Trotz der Widrigkeiten. Das man weitermacht, trotz dem, was alles gewesen ist.“

Die durchgehend positiven Texte haben Servaes und Kerstgens gemeinsam erarbeitet.

„Das haben wir immer so gemacht. Wie ein PingPong-Spiel. Zwei Individuen, männlich/weiblich. Manche Dinge müssen auch wir in Debatten überwinden. Es läuft nicht immer wie am Schnürchen, aber meistens.“

Dazu kommt mit DolceRita bzw. Soulfood nun noch ein Label-/Vertriebsdeal, der neue Wege beschreitet. Klee arbeitet fortan mit einem liebevollen Team zusammen, in dem sich die Band mehr oder minder selbst organisiert, wo es nicht mehr darum geht, immer mehr haben zu wollen. Es gibt keine Bevormundung mehr von großen Industrievertrieben, denen es ausschließlich ums Geld geht.

„DolceRita ist dem Label als beratende Instanz für den Vertrieb von Soulfood zugeschaltet. Denn Soulfood hat an sich ja noch gar nicht als Label gearbeitet. Das ist alles Neuland. Ganz spannendes Arbeiten. Innovation und Freude. Wir packen es an. Es ist ein neues Konstrukt, anders als das, was man so kennt. Man muss immer neue Wege gehen. Es ist gottseidank nicht mehr so wie vor 20 Jahren, als man mit großen Major-Plattenfirmen -unflexible Monster- arbeiten musste, die nur in alten Strukturen denken.“

Deshalb gibt es „Trotzalledem“ nicht nur als CD oder im Download, sondern sogar als Vinyl-Langspielplatten in schuhschnabelrot, cokebottlegreen, sonnengelb bzw. transparent. Natürlich „Trotzalledem“ auch in schwarz. Zitat aus der Single-Auskopplung „Danke, Nein“: „Alle sind so fleißig – ich nicht / Und alle sind so dreißig – ich nicht / Alle wollen mehr, mehr, mehr – ich nicht.“

„Der Videodreh zu `Danke, Nein´ hat ebenfalls viel Spaß gemacht. Sten und ich sind dafür in unsere alte Heimat an den Niederrhein gefahren, haben dort gedreht. Obwohl es in einer schönen Welt überall so sein könnte. Es hatte für mich eine tiefere Bedeutung, dass wir das alles bei `uns zuhause´ am Niederrhein drehen konnten, und nicht wer weiß wo hinfahren mussten, um irgendwie etwas zu zeigen, oder extra etwas darzustellen. Es war so nah bei uns, dass fand ´ ich gut. Obendrein hatten wir echt Glück mit dem Wetter in der Woche des Drehs.“
Über Album und Video(s) hinausgehende Aktionen können aktuell aufgrund der anhaltenden Pandemiebestimmungen nicht geplant werden.
„Wir haben eine gute Konzertagentur, aber die kann derzeit natürlich nichts buchen. Wir möchten auch nichts buchen, um es dann verschieben zu müssen. Deshalb sagen wir, was in diesem Jahr spontan noch passieren kann, da versuchen wir, dabei zu sein. An eine eigene Tournee kann man sicher erst ab 2022 wieder denken.“
Auch, als es noch möglich war, Konzerte zu spielen, hatte Kerstgens ihre Prioritäten anders gesetzt. Das große Ganze, der Zusammenhalt, ist ihr wichtig.
„Es geht im Leben immer um Kommunikation. Das ist das A und O. Und darum, zusammenzuhalten. Es geht nicht darum, sich abzugrenzen – auch wenn man Corona bedingt Abstand halten, bzw. physisch eine gewisse Distanz wahren muss. Man sollte aus dem Herzen heraus Dinge entscheiden.“ Freundschaften und Familie sind ihr wichtiger als das Business.
„Das Anonyme mag ich nicht so sehr. Ich bin ein nahbarer, direkter Mensch. Wenn es keine Nähe mehr gäbe, würde ich darunter leiden. Das Persönliche gibt Kraft und Energie. Das habe ich besonders gemerkt, als mein Vater krank wurde, und meine Mutter Hilfe benötigte. Da war ich in der Situation, in der ich entscheiden konnte -was schon sehr privilegiert ist-, ob ich meine Karriere weiter anstoßen, oder in schwerer Zeit bei Mama und Papa sein wollte. Für mich war das (letztere) auf jeden Fall wichtiger (Anmerkung: Der Vater ist gestorben)! Ich bereue diese Entscheidung nicht. Man muss klar sagen, dass die Musik dann keinen Nährboden hat. Sie muss hintenanstehen. Wenn meine Geschwister am Wochenende `übernommen´ haben, dann hattest du an den zwei Tagen nicht eben mal so einen kreativen Schub. Das geht gar nicht. Man ist dann in einem anderen Universum. In dem Paralleluniversum ticken die Uhren anders. Da bleibt die Zeit stehen!“
Aktuelles Album: Trotzalledem (DolceRita / Soulfood)

Weitere Infos: https://kleemusik.de Foto: Heike Sieber

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