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DESPERATE JOURNALIST

Ambitionen als Herzensangelegenheit

DESPERATE JOURNALIST

Desperate Journalist sind eine Band, wie man sie sich besser kaum ausmalen könnte. Ambitioniert, nuanciert und komplex verbindet das Londoner Quartett auf seinem überragenden dritten Album, ´In Search Of The Miraculous´, jenseits enger Genregrenzen eine beachtliche künstlerische Reife mit formvollendeter poetischer Integrität und verliert trotz einer nun spürbar hoffnungsvolleren Grundhaltung nie die auf seinen vorherigen Platten und bei seinen umwerfenden Live-Konzerten allgegenwärtige emotionale Wucht aus den Augen.

Farbenfroh, breitwandig, groß – so klingen die mit aufsteigenden Refrains und kunstvoll präzisen Riffs glänzenden Songs des neuen Desperate-Journalist-Albums, deren bisweilen geradezu kaleidoskopartiger und hymnischer Sound mit konventionellen Begrifflichkeiten wie Post-Punk, Shoegaze oder Indie-Goth kaum mehr adäquat zu beschreiben ist. Überraschend ist das nicht: Leidenschaftlicher künstlerischer Anspruch und musikalische Evolution standen für Desperate Journalist schließlich schon immer im Mittelpunkt.

Anders als für viele andere junge Künstler, die Rock-Klischees ausleben oder schlichtweg das Erwachsenwerden ein bisschen hinauszögern wollen, war die nach einem obskuren One-off-Song von The Cure benannte Band für Sängerin Jo Bevan, Gitarrist Rob Hardy, Bassist Simon Drowner und Schlagzeugerin Caroline Helbert (alias Caz Hellbent) von Beginn an eine echte Herzensangelegenheit.

“Als wir anfingen, gab es jede Menge Post-Punk-Revival-Bands, doch der überwältigenden Mehrheit davon schien es mehr ums Posen zu gehen, anstatt das einzufangen, was ich für die Essenz des Post-Punk halte: Der Wille zum Experimentieren und ein aus der Freiheit und dem Ungestümen des Punk abgeleitetes Verlangen, anders sein zu wollen“, erinnert sich Jo im Westzeit-Interview. „Die meisten Bands trugen gewissermaßen nur das T-Shirt, ohne den Worten auch Taten folgen zu lassen.“

Für Desperate Journalist dagegen, und ganz besonders für Jo, war und ist die Thematisierung von existenzialistischen Fragen und das Aufarbeiten von persönlichen Erfahrungen fast schon eine Notwendigkeit. Bereits die Songs der letzten LP ´Grow Up´ aus dem Jahre 2017 halfen der charismatischen Frontfrau durch eine persönlich sehr schwierige Zeit und gaben ihr die Chance, Dinge auszudrücken, die sie anders nicht offen hätte aussprechen können, und auch die Arbeit an ´In Search Of The Miraculous´ ging Hand in Hand mit vielen einschneidenden Veränderungen für sie – wenngleich sie dieses Mal deutlich positiver ausfielen. Dennoch schien Jos Leben plötzlich komplett auf den Kopf gestellt.

„Weil ich nun einmal dazu neigte, alles übermäßig zu romantisieren, lag es für mich nahe, meinen eigenen Vorstoß ins Ungewisse mit dem Wirken von Bas Jan Ader zu vergleichen", gesteht sie lachend.

Der niederländische Performance-Art-Künstler Ader fand Mitte der 1970er-Jahre bei seinem Versuch, allein den Atlantik in einem kleinen Segelboot zu überqueren, einen tragisch frühen Tod. Seine ´In Search Of The Miraculous´ überschriebene letzte Reise und die damit verbundene Idee, sein Leben als Kunstwerk auf der Suche nach Erhabenheit zu begreifen, wurde für Jo auch abseits des LP-Titels und der direkt durch Ader inspirierten Songs ´Ocean Wave´ und ´International Waters´ zu einem wichtigen kreativen Wegweiser. Auch wenn die Angst ihrer Mitstreiter vor einem echten Konzeptalbum („Sie fragten: ´Wir machen jetzt also Lieder über Boote?´“, verrät sie mit einem Lachen) unbegründet blieb, fand Jo doch Gefallen daran, sich für ihr „romantisches Manifest“ innerhalb eines zuvor abgesteckten Rahmens zu bewegen und so die Schönheit der Hoffnung und die Begeisterung für die Möglichkeiten in den Mittelpunkt zu rücken.

Gerade Letzteres mag im derzeitigen politischen Klima der zunehmenden Engstirnigkeit ein wenig überraschen, doch Jo hat auch dafür eine Erklärung.

„In gewisser Weise geht es dabei um einen wohltuenden Gegenpol zur unerbittlichen Trostlosigkeit der gegenwärtigen Politiklandschaft“, erklärt sie abschließend. „Teil des Konzepts der Romantiker war ja die Realitätsflucht – und darauf habe auch ich abgezielt.“

Das Ergebnis sind seelenvolle Songs, die mit Köpfchen große Emotionen zu Kunst erklären.

Aktuelles Album: In Search Of The Miraculous (Fierce Panda / Cargo)


Weitere Infos: desperatejournalist.co.uk

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