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DONOTS

Abseits des gewohnten Wegs

DONOTS

Der Volksmund sagt: Alles neu macht der Mai. Im Falle von Donots beginnt das nächste Kapitel ihrer Karriere bereits jetzt. Mit dem neuen Album ´Karacho´ wagen sie das Risiko eines Quasi-Nullstarts und präsentieren sich nicht länger als deutsche Band, die mit englischen Texten um die Ecke biegt. Sondern nehmen die Muttersprache mit in ihrem musikalischen Wortschatz auf: „Wir sind uns bewusst, dass wir Fragen dazu beantworten müssen und wollen dem auch gar nicht aus dem Weg gehen“, gibt Ingo Knollmann zu und weiß, dass durchaus noch mehr als diese Antworten von ihnen erwartet werden. Die Zeichen stehen auf Veränderung, wenn eine Formation sich wohlüberlegt das eigene Süppchen kocht und nun vor aller Öffentlichkeit auslöffeln darf. Kein Problem, der Appetit scheint ihnen bislang nicht vergangen. Oder vielleicht: Noch nicht vergangen?

Die Location hätte im Falle dieser Band kaum besser gewählt werden können. An einem typischen Januarvormittag - irgendwie nass, irgendwie kalt - sitzen drei Abgesandte der Donots am Kaffeetisch: Sänger Ingo Knollmann, Bassist Jan-Dirk Poggemann und ihr gemeinsamer Kollege, Gitarrist Alex Siedenbiedel.

Um sie herum befindet sich das inzwischen ziemlich bekannte Ramones Museum in Berlin Mitte, nahe dem Hackeschen Markt. Eine wahnsinnig große Verbindung zu den Punkrockern habe man zwar nicht, aber natürlich möge man Ramones von Natur aus, denn ähnlich rabiat präsentierten sich Donots auf ihren bislang veröffentlichten Alben auch.

Je nach Zählweise ist das neue Werk ´Karacho´ ihr zehntes Release und doch keines wie die anderen. So versucht man sich kurz für die wohl von jedem gestellte Frage nach den deutschen Texten zu entschuldigen, da fährt Knollmann einem direkt dazwischen:

„Es ist völlig okay, wenn du gleich als erstes wissen willst, warum wir plötzlich auf Deutsch und nicht mehr in Englisch singen – uns war klar, dass wenn wir diesen Schritt gehen, es Fragen aufwerfen wird und diesen stellen wir uns natürlich gerne“, versichert er mit einem Lächeln und man glaubt es ihm sofort.

Immerhin hat diese Band aus dem beschaulichen Münsterland eines seit ihrer Gründung vor über 21 Jahren beibehalten:

Das Image einer ´sympathischen Rabauken-Bande, die nur zu gerne Punkrock spielt´ – wie einmal über sie recht witzig und doch treffend geschrieben wurde. Selbst wenn einige Alben, wie das 2008 erschienene ´Coma Chameleon´, versuchten in eine andere Richtung zu gehen.

Dabei scheint es fast egal, was die Formation anfasst, es wird irgendwie immer zu Gold und dies ist gerade im Zusammenhang mit Musikern, die dank ihres alternativen Sounds auf Lebenszeit zu ewiger Jugend verdammt sind, mehr als erstaunlich.

Keine Fehltritte bisher und immer noch eine loyale Fans-Base, die nicht nur mitaltert, sondern nachwächst, wie Jan-Dirk Poggemann feststellt:

„Natürlich verziehen sich inzwischen einige Anhänger der ersten Stunde aus ‚Altersgründen’ lieber in die hinteren Reihen bei unseren Konzerten und trotzdem ist die Stimmung umwerfend, weil vorne viele neue Gesichter für gute Laune sorgen.“

Ebenso wenig überrascht es wohl, dass innerhalb der Band nicht viel über das eigene Image diskutiert wird – sobald jemand Bock auf etwas habe, dann solle er das doch bitteschön machen. Geben die drei zu und was klingt wie eine Floskel, kann mit nur einer einzigen Episode aus der langen Donots-Geschichte belegt werden:

Im Dezember 2013 meldete sich Alex Siedenbiedel bei Günther Jauchs ´Wer Wird Millionär´ an und landete tatsächlich auf dem Kandidatenstuhl. Allerdings scheiterte er früh an den Fragen und trotzdem gab es am nächsten Tag nirgends einen negativen Kommentar zum Auftritt des Gitarristen beim Privatsender RTL zu lesen.

„Ganz im Gegenteil“, erinnert er sich heute, „da ich so schnell rausflog, bauten mich die Leute eher auf und meinten, Kopf hoch, du hast ja immer noch deine Band. Das fand ich super und es zeigte mir, dass wir in all den Jahren echt nette Menschen mit unserer Musik erreicht haben.“

Was uns sogleich ins Hier & Jetzt befördert und zur Eingangsfrage bezüglich der deutschen Text auf ´Karacho´. Wobei angemerkt werden muss: Ganz so überraschend, wie sie für einige wirkt, ist diese Veränderung gar nicht.

Bereits im vergangenen Jahr kündigte sich dahingehend ein Kurswechsel an: Zum 20. Jubiläum veröffentlichten Donots zusammen mit ihrem Kumpel Tim McIlrath von Rise Against den Gratis-Track „Das Neue Bleibt Beim Alten“: „Während der Session entstanden weitere deutsch-gesungene Songs und hatten eine Haltung, die wir geil fanden.“

Deswegen habe man in diese Richtung geforscht, wie die Band erklärt und betont, dass aus dem „darauf Bock haben“ der Grundstein für „Karacho“ entstanden ist. Was ziemlich einfach klingen mag, war aber auch ein Wagnis, wie der hauptverantwortliche Texter Ingo Knollmann betont:

„Ich habe extrem ausgelotet, welche deutschsprachigen Songs für mich gute und negative Beispiele sind. Dieser ganze durchformatierte Kram innerhalb der Radiolandschaft wie Pur oder Rosenstolz ließ bei mir schnell den Bullshit-Detektor schrillen.“

Demgegenüber liebe er die Texte von Slime, …But Alive, Dackelblut oder Muff Potter und wollte genau diesen Stil verinnerlichen und seinen eigenen daraus kreieren.

Jan-Dirk Poggemann: „Um ehrlich zu sein, wir hatten auch ein paar englische Varianten von einigen Tracks parat, nur um auf Nummer sicher zugehen. Allerdings fanden wir das, was Ingo mitbrachte, derart überzeugend, dass selbst die Variante eines Albums mit deutschen und englischen Texten Schwachsinn gewesen wäre.“

Zugegebenermaßen ist diese Kehrtwende auch nur eine Neuerung im Zuge der Veröffentlichung von ´Karacho´. Bei der zweiten handelt es sich um etwas ziemlich Vertrautes, das zuletzt ein wenig in den Hintergrund rückte: Die kompromisslose Härte aus den Anfangsjahren der Donots scheint vollends zugekehrt.

„Was aber nicht so berechnend geschah, wie die Tatsache, dass wir jetzt auf Deutsch singen. Allerdings damit zu tun hat. Fängst du plötzlich wieder bei Null an, entsteht automatisch eine Euphorie, die sehr einnehmend sein kann und bei uns im Studio tatsächlich das Geschehen bestimmte.“

Ein zweiter Frühling also? „Das würde ja bedeuten, dass die Blätter schon einmal welk waren“, lacht Knollmann und gönnt sich einen tiefen Schluck pechschwarzen Espresso:

„Nein, eher ein Experiment, dass gerne seine Fortsetzung finden darf. Zumindest wenn es nach uns geht und der Rest der Leute es hoffentlich auch cool findet.“

Die ersten Reaktionen zur Vorabsingle ´Ich Mach Nicht Mehr Mit´ lassen einen erfolgreichen Einstand vermuten und es wirkt dabei irgendwie ironisch, dass der Vorbote zu ´Karacho´ solch einen destruktiven Titel trägt.

„Haben wir überhaupt nicht so gesehen“, wundert sich Poggemann, „ich fand den Track eher passend, weil da so schöne Dinge wie die ‚Woho’-Gesänge drin sind und die haben uns schon immer gefallen, also raus damit!“

Quasi das Motto im Jahre 2015: Alles muss raus. Dabei ist den Donots hoch anzurechnen, dass sie nach über 21 Jahren Bestehen nicht auf Nummer sicher gehen, sondern die Konsequenz, mit der sie sich auf ´Karacho´ präsentieren, bis zum letzten Track der Platte durchhalten.

Des Punkrocks neue Kleider sind der Band aus Münster gut gelungen. Egal ob das Sprichwort von der Suppe und den vielen Köchen das Gegenteil behauptet. Donots lassen es sich zu Recht schmecken.

Aktuelles Album: Karacho (Vertigo / Universal)

Foto: Patrick Runte

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