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MIDDLE KIDS

Auf der Suche nach dem bestmöglichen Selbst

MIDDLE KIDS

Das australische Indie-Pop-Trio Middle Kids war ja immer schon ganz gut darin, die eigene Karriere punktgenau zu timen. Als sich Hannah Joy und Tim Fitz – beides Musiker, die bis dahin unter eigenem Namen firmierten und beides zufälligerweise auch „Mittelkinder“ - 2016 trafen und beschlossen, zusammen mit Hannahs Schulkumpel Harry Day, gemeinsame Sache zu machen, um Hannahs Songs in einem soliden Power-Pop-Setting eine geeignete Basis zu schaffen, taten sie das genau zur richtigen Zeit. Bereits mit der ersten EP ging man 2017 mit Steve Earle in den USA auf Tour. Dort fanden sich auch die treuesten Middle Kids Fans.

Als 2018 die Debüt-LP „Lost Friends“ erschien, rannten die Middle Kids sozusagen offene Türen ein, spielten in angesagten US-TV-Shows und tourten als Headliner, auf Festivals und als Support von Acts wie The War On Drugs, Ryan Adams, Cold War Kids und in Europa auch mit Bloc Party. Nachdem sie 2019 die EP „New Songs For Old Problems“ präsentierten, ging es wieder auf Tour – und gleich anschließend nach LA ins Studio, um die nun vorliegende zweite LP „Today We're The Greatest“ einzuspielen. Das musste recht fix gehen, denn im Februar 2020 wurden Hannah und Tim stolze Eltern. Ein Paar Wochen später schlug dann die Pandemie zu – da hatten die Middle Kids ihre Projekte aber bereits in sicheren Tüchern und konnten sich Zeit nehmen, das Material in Ruhe fertigzustellen.
Nachdem die EP „New Songs For Old Problems“ noch vergleichsweise lebensbejahend ausgefallen war, hat „Today We're The Greatest“ wieder eine melancholisch/nachdenkliche Note. Das bedeutet keineswegs, dass es sich um ein depressives Album handelt. Es ist nur so, dass die poppigen Aspekte nicht so offensichtlich betont werden, und der Reiz der einzelnen Songs sich eher über ihre Komplexität und Vielschichtigkeit, als über ihre Gefälligkeit erschließt. 
„Das ist interessant“, überlegt Hannah, „denn was ich eigentlich möchte ist, dass die Songs über ihre Melodie angetrieben werden. Ich möchte, dass die Menschen in der Lage sind, die Melodien mitzusingen. Das ist dann das, was den Pop-Appeal ausmacht. Ich möchte gerne Songs schreiben, die auch von anderen gesungen werden können. Die Melodie ist im Schreibprozess also jeweils mein Hauptanliegen und die Instrumentierung und die Arrangements sind dazu da, diese Melodien zu unterstützen. Es geht da dann um Farben und Texturen, auf denen die Melodie dann sozusagen schweben kann.“

Wird die Musik denn nicht im Bandkontext ausgearbeitet?

„Doch“, bestätigt Hannah, „ich schreibe zwar eine Menge der Elemente, aber Tim ist dann für die interessanteren, schrulligeren Sounds zuständig. Als wir die Scheibe aufnahmen, hatten wir im Studio einen A-Raum und einen B-Raum. In dem B-Raum befanden sich dann all diese unterschiedlichen Instrumente, die Tim dann – wie in einem Labor – ausprobierte."

Sind solche Sachen – wie zum Beispiel die Bläsergruppe in dem Song „Questions“ dann bereits Bestandteil des Songwritings?

"Das ist ein gutes Beispiel für die Vorgehensweise“, erläutert Hannah, „der Song ist nämlich über den Refrain entstanden. Mit fehlte dann noch eine Bridge. Ich habe eine Voicemail mit dieser Melodie aufgenommen und mir dann gedacht: Der Song könnte gut noch eine Bläsersektion mit dieser Melodie vertragen. Das ist aber nicht immer so – manche Songs haben auch eine ganz klare Linie. Bei anderen hat dann wieder Tim verschiedene Sounds ausprobiert und manchmal ist da was kleben geblieben und manchmal eben nicht."
Warum wurde der letzte Song auf dem Album – die melancholische Ballade „Today We're The Greatest“ zum Titelsong? Genauso gut hätte ja auch der Single-Titel „Questions“ der Titelsong werden können, denn es werden ja so einige Fragen auf dem Album gestellt.

„Ich denke einfach, dass 'Today We're The Greatest' so viel von dem, was wir aussagen wollen, beinhaltet, so dass sich das einfach anbot“, führt Hannah aus, „es gibt da diese Textzeile: 'life is gory and boring sometimes'. Unsere Songs beschäftigen sich ja oft mit dem alltäglichen Leben – und das ist ja eben voller langweiliger Dinge, aber auch voller Schmerz und Einsamkeit oder auch Schönheit. Und ich denke, dieser Song beinhaltet alle diese Elemente. Was unser Dasein als Menschen ja ausmacht, ist all diese Dinge zu erfahren und uns zu vergegenwärtigen und dabei unser bestmögliches Selbst zu sein. Diese Erkenntnis wollte ich in diesem Song erforschen. Tatsächlich war das für uns alle klar, dass das der Titeltrack sein sollte und das das Album dann auch so heißen sollte."
Auch jetzt haben die Middle Kids wieder Glück mit dem Timing, denn Australien lockert ja gerade wieder die Corona-Beschränkungen. International muss man da natürlich vorsichtiger planen und so ist mit einer Tour des Trios in unseren Breiten frühestens 2022 zu rechnen.
middlekidsmusic.com

www.facebook.com/middlekidsmusic

Video „Questions“ www.youtube.com/watch?v=VchylRsWmcQ

Video „R U 4 Me?“ www.youtube.com/watch?v=t6MRomiT6RU

Video „R U 4 Me? (Live im Lockdown)“ www.youtube.com/watch?v=3nZ7vZX9TXc

Aktuelles Album: Today We're The Greatest (Lucky Number) VÖ: 19.03.

Foto: Daphne Nguyen

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