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THE LATE CALL

Wenn die Nacht am tiefsten …

THE LATE CALL

Auf seinen ersten vier Alben gab Johannes Mayer alias The Late Call den klassischen Troubadour und baute auf den Schultern klassischer Singer/Songwriter-Traditionen eine Brücke vom Folkrock der 70er-Jahre ins Hier und Jetzt. Für seine neue LP tauschte der seit Langem in Schweden heimische Musiker nun die Akustikgitarre gegen ein Klavier ein und kredenzt uns zehn feine Songs, deren sanfte Melancholie sich im Albumtitel ´Your Best Friend Is The Night´ perfekt widerspiegelt.

Johannes Mayer hat sich Zeit gelassen für das neue Album seines Projekts. Losgelöst von den „Nach der Tour ist vor der nächsten Veröffentlichung“-Mechanismen der Musikindustrie hat das Late-Call-Mastermind fünf Jahre seit dem Vorgänger ´Golden` verstreichen lassen, um auf neue Ideen zu kommen und neue Ausdrucksformen zu finden. Die meisten Songs entstanden in dem Gefühl, losgelöst zu sein vom Alltag. Dass sich am Ende unter dem Eindruck von Tobias Jesso Jr.´s ´Goon´ ein Album mit solistischen Pianonummern herausschälen würde, nachdem bislang all seine Lieder auf der Akustikgitarre ihren Anfang genommen hatten, war dennoch eher dem Zufall geschuldet. Im Spätsommer 2016 verbrachte Mayer abseits seiner Wahlheimat Stockholm drei Monate in Berlin, wo er ein Klavier und genügend Zeit hatte, sich ausgiebig mit dem für ihn neuen Instrument zu beschäftigen.

„Ich dachte mir: Wann, wenn nicht jetzt?”, verrät er im Westzeit-Interview. „Ich habe jeden Tag Akkorde und Umkehrungen geübt, und dann ging es einfach los. Ich bin kein versierter Pianist, ich bin aber auch kein versierter Gitarrist. Aber ich bin ganz zufrieden damit. Ich finde mich zurecht und komme meistens dahin, wo ich hinwill.”

Die Songs am Klavier zu schreiben bedeutet für ihn auch ein Stück weit, zu der Art unschuldiger Naivität zurückzukehren, die man hat, wenn man sich mit etwas Neuem beschäftigt, und die mit wachsender Erfahrung einfach verloren geht.

„Das ist ein Bonus, den man nur einmal pro Instrument hat”, ist er überzeugt. „Der neue Klang allein erschafft neue Ideen. Aber ich liebe vor allem, wie vielseitig das Piano als Begleitinstrument ist. Ich kann jeden Akkord auf eine Art variieren, wie ich es auf der Gitarre nicht kann, weil sie anders konzipiert ist. Als Musiker kann ich hören, ob ein Song am Piano oder an der Gitarre geschrieben wurde.”

Das neue Instrument lenkte Mayers Songs klanglich und gefühlsmäßig in neue Bahnen, und auch wenn es eher unbewusst geschah, hatte das vielleicht auch Einfluss auf die Texte und den Albumtitel, schließlich hat sich Mayer inzwischen vom ´Pale Morning Light´ – so der Name seines dritten Albums – zur ´Night´ vorgearbeitet. Doch was macht die Nacht zu etwas Besonderem für ihn und wie hat sich das speziell auf die Texte der neuen Lieder niedergeschlagen?

„So wie ich mich gefühlt habe beim Schreiben, kam ich an der Nacht als sicherer Ort, als Versteck, als letzter Freund, als eine Decke, die alles einhüllt, als ultimativer Ruhepunkt nicht vorbei”, erklärt er. „Sie ist unaufgeregt, sie besänftigt, sie gibt einem gehetzten Menschen eine Verschnaufpause – und kann im nächsten Moment etwas Bedrohliches bekommen.”

Dunkle, ausklingende Akkorde, tieferer Gesang, langsameres Tempo: Im Kern ist ´Your Best Friend Is The Night´ eine Soloplatte Mayers, trotzdem war er bei den Aufnahmen im auf analoge Produktionen spezialisierten Studio Nord in Bremen, wo auch schon der Vorgänger ´Golden´ unter ganz anderen Vorzeichen entstanden war, nicht allein am Werk. Co-Produzent Gregor Hennig stand ihm wie schon bei der letzten LP genauso beiseite wie einige ausgewählte Gäste, die das Album mit ihren Beiträgen „verschönert“ haben, wie Mayer selbst es ausdrückt. Die Jazzmusikerin Julia Strzalek steuerte Soli am Alt-Sax und der Klarinette bei, Lars Plogschties spielte gefühlvoll Schlagzeug und am Bass war mit Patric Thorman ein weiterer alter Weggfährte Mayers beteiligt. Am liebsten würde Mayer natürlich lieber früher als später mit seinen Mitstreitern auf die Bühne, um ´Your Best Friend Is The Night´ auch live lebendig werden zu lassen, allerdings will er das nicht um jeden Preis tun. Maskierte Social-Distancing-Konzerte kommen für ihn derzeit nicht infrage, auch wenn das bedeutet, dass die Tournee zum Album noch etwas länger warten muss.

„Ich will das erst machen, wenn mein Publikum wieder ohne Gesichtsmaske und Sicherheitsabstand an der Bühne stehen kann”, sagt er bestimmt, hat aber für die Wartezeit auch einen Plan B parat: „In der Zwischenzeit schreibe ich weiter Songs, das nächste Album immer im Blick, ob nun eines kommt oder nicht!”

Aktuelles Album: Your Best Friend Is The Night (s/r) Vö: 02.10.


Weitere Infos: › www.thelatecall.com Foto: Anna Ledin-Wiren

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