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SONDASCHULE

Herbert halt´s Maul

SONDASCHULE

Die Hauptstadt zeigt der Sondaschule die kalte Schulter. Acht Grad, Regen, und dazu stehen gerade einmal 50 Konzertbesucher vor der Bühne im Magnet Club. Nicht gerade sehr vielversprechend. Punkrock mit Posaune und deutschen Texten scheint in Berlin nicht so zu ziehen. Doch dann kommt alles ganz anders. Denn die Sondaschule kommt auf die Bühne. Kurze Begrüßung und dann die volle Breitseite: „Das Leben fällt uns schwer, wir haben keine Freunde mehr, seit wir bei der Sondaschule sind“ – den zweiten Teil der Strophe muss Costa Cannabis nicht selbst ins Mikro singen, das übernehmen die 50 Leute. Wie auf Knopfdruck drehen die wenigen Besucher komplett durch und feiern vom Anfang bis Ende eine Party mit der Band. Wären heute 500 Leute gekommen, die Stimmung wäre nicht besser. Sondaschule live – das ist ein Orkan.

Denn die Sondaschule kommt auf die Bühne. Kurze Begrüßung und dann die volle Breitseite: „Das Leben fällt uns schwer, wir haben keine Freunde mehr, seit wir bei der Sondaschule sind“ – den zweiten Teil der Strophe muss Costa Cannabis nicht selbst ins Mikro singen, das übernehmen die 50 Leute. Wie auf Knopfdruck drehen die wenigen Besucher komplett durch und feiern vom Anfang bis Ende eine Party mit der Band. Wären heute 500 Leute gekommen, die Stimmung wäre nicht besser. Sondaschule live – das ist ein Orkan.

„Wer zu uns zum Konzert kommt, der wird auf dem Zahnfleisch nach Hause gehen, das kann ich versprechen“, sagt Costa Cannabis, der eigentlich Tim heißt, drei Stunden vorher im Interview mit Westzeit. Wie wahr seine Worte sind, sollte sich später bestätigen. Zunächst geht es aber um das neue Album.

„Wir wollten jetzt zum zehnjährigen Bandjubiläum eine Best-Of-Platte mit DVD machen. Unsere Videos sind aber nicht rechtzeitig fertig geworden, und einfach so wollten wir die CD nicht raushauen, das wäre dann nur Geldmacherei gewesen, so ein Album nur mit dem alten Scheiß zu veröffentlichen. Wir hatten sowieso schon ein paar neue Songs fertig. Dann dachten wir uns, machen wir einfach noch mal ein paar mehr für eine komplett neue Platte.“

Diese neue Platte heißt „Von A bis B“, ist sehr professionell produziert, sehr sauber, sehr glatt. An die rotzigen Sondaschüler aus der „Klasse 1a“ (so der Titel des Debüts von 2002) erinnert das Album kaum noch.

„Ich glaube, viele werden sagen, dass sich das Album sehr clean anhört. So nach dem Motto ‚Wat is dat denn jetzt?!’ So eine Studioproduktion hat natürlich auch Nachteile. Bei manchen Songs hört sich das für mich an, als wäre da ne Handbremse drin. Wir brauchen eigentlich das Live-Feeling, wo uns der Schweiß runterläuft und die Rotze aus dem Mund hängt. Am Besten wäre es, so ein Album live im Studio einzuspielen. Wir sind aber leider technisch nicht gut genug dafür. Das aktuelle Album ist ja trotzdem gut. Aber anders als unsere Live-Shows. Und wir hatten übrigens noch nie ein Problem damit, uns hinzustellen und zu sagen: ‚Das sind wir, hör es Dir an oder lass es.’“

Die Meinung von anderen war der Band schon in ihren Anfangstagen egal. Sie sangen über Sex während der Menstruation, „Inlineskaterschweine“ und „Haschliebe“. So landeten die Ruhrpottler schnell in der Fun Punk Ecke. Und fühlten sich darin auch noch sauwohl. Kein Wunder, wenn man aus Mülheim kommt, der Heimatstadt von Helge Schneider und den Prollpunks „Die Lokalmatadore“.

„Die Lokalmatadore waren für mich als Mülheimer auf jeden Fall textliche Inspiration. Helge Schneider ist genau so ein Anarchist. Mülheim ist so ein Fleckchen Erde, wo man gerne viel vom Stapel lässt. Das Herz liegt auf der Zunge bei uns. Der Ruhrpottler redet gerne mal schneller als er denkt. Wir sind gutgläubig und ehrlich, quasseln mit jedem und haben einfach ne Meinung.“

Der Ruhrpott – das ist für alle außerhalb des Ruhrpotts auch Herbert Grönemeyer. Und der bekommt auf dem aktuellen Sondaschule Album so richtig sein Fett weg. Im Opener heißt es: „Dein Gesang geht unter die Haut, aber Fleischerhaken tun das auch. Wir haben lang genug gelitten, und darum möchten wir dich bitten, Herbert halt’s Maul“

„Das ist aus einem Gespräch im Studio entstanden. Mir wird in der Band immer nachgesagt, ich hätte keine guten Gesangsmelodien. Und dann hieß es, ich solle das mal so singen, wie Herbert Grönemeyer. Und damit ich das letzte Wort habe, habe ich dann einfach gesungen ‚Herbert halt’s Maul’. So ist der Song entstanden, und der Herbert wird es sicher mit Humor nehmen.“

Trotz der bösen Worte über Grönemeyer: Die Texte aus den Anfangstagen gehören der Vergangenheit an. Der Fäkalhumorfaktor ist deutlich geringer geworden. Auch jemand, der sich Costa Cannabis nennt, wird älter.

„Ich habe tierisch weiterentwickelt, was das Texten angeht, und ernster geworden bin ich auch. Während der Platte ist zum Beispiel meine Oma Lieselotte gestorben. Da schreibt man dann nichts über Saufen. Man beschäftigt sich dann mit ganz anderen Dingen, und man hört auch, dass das Album melancholischer ist. Ich hatte teilweise auch gar keinen Bock, textlich total auszuflippen. Der Vater von unserem Gitarristen Don Alfonso ist auch gestorben. So was merkt man dem Album schon an.“

Auch musikalisch hat sich die Band verändert. Auf „Von A bis B“ finden sich Country-Einflüsse genau so wieder wie ein Titel, der sehr stark an die Neue Deutsche Welle angelehnt ist.

„Im einem großen Studio aufzunehmen, das hat natürlich auch Vorteile, weil man da viel ausprobieren kann. Wir haben in einem Song jetzt ein Xylophon drin. Da wären wir früher nie drauf gekommen, damals wollten wir einfach nur headbangen. Früher sind uns die berühmt-berüchtigten drei Akkorde schon manchmal schon ganz schön schwer gefallen. Aber 500 Konzerte und zehn Probejahre später kann man einfach keinem verbieten, sein Instrument besser zu spielen. Mir würde es rotziger auch oft besser gefallen, aber ich kann ja zu unserem Schlagzeuger nicht sagen, spiel jetzt mal schlechter.“

Die Konstante der Band ist ihre Haltung: Alles nicht so ernst zu nehmen, vor allen Dingen nicht sich selber. Dazu gehört eine fast unerhört häufige Bühnenpräsenz. Daraus ist ein Erfahrungsschatz entstanden, von dem Sondaschule zehrt. Gepaart mit einer unwahrscheinlichen Spielfreude macht diese Kombination Sondaschule zu einer furiosen Live-Band.

„Der Spirit ist immer noch da. Wir sind eine Familie, hauen uns die Fresse ein, aber hängen immer noch aufeinander rum und lieben uns. Man hat sich auch von seiner eigentlichen Familie ziemlich verabschiedet. Wir sind seit sieben Jahren konstant auf Tour. Immer am Wochenende. Wir hatten jetzt einmal zwei Monate Pause.“

Damit das überhaupt funktioniert, müssen die Bandmitglieder Abstriche im Job machen.

„Ich gehe 20 Stunden die Woche als Mediengestalter arbeiten. Montags und freitags habe ich frei wegen der Touren. Trotzdem brauche ich den Kontakt zu anderen Menschen, zum normalen sozialen Leben. Deshalb ist der Job total wichtig, sonst hätte ich auch keine Inspiration für die Texte.“

Für ihre Liveauftritte fährt Sondaschule auch ins benachbarte Ausland. Deutsche Texte in Österreich und der Schweiz sind kein Problem. Doch Costa und Co. wollten mehr: Vor kurzem hat die Band das Experiment gewagt und war eine Woche in England unterwegs.

„Wir wussten nie, wo wir pennen, wir sind einfach gefahren, und das war mit die geilste Tour, die wir je hatten. Auch wenn die Leute am ersten Abend fast alle rausgegangen sind, als wir angefangen haben. Wir sind mit einer englischen Ska Punk Band unterwegs gewesen und waren in Reading, Brighton und Ipswich. Die Sprache war kein Problem. ‚Dumm aber glücklich’ haben wir zu ‚Dumb but happy’ gemacht, da konnten die Engländer schön mitgröhlen. In Reading haben wir dann vor 550 Zuschauern gespielt, das war cool.“

Der Ska-Anteil bei Sonderschule war nie besonders hoch, trotzdem galt und gilt die Band immer noch als Ska Punk Band. Ein Etikett, mit dem Costa überhaupt nichts anfangen kann.

„Es hieß ja sogar mal, wir sind die Ska Punk Band Nummer Eins in Deutschland. Nee, sind wir nicht, auf keinen Fall! Für mich haben Bands wie Rantanplan Ska Punk gemacht, und denen würden wir damit total unrecht tun. Für mich haben solche Bands wie Skatoons viel mehr in dieser Szene bewegt als wir. Wir nennen unsere Musik lieber Powerschlager oder Trompetenpunk.“



Ob nun Ska Punk, Powerschlager oder Trompetenpunk, bei Sondaschule ist eindeutig eine Entwicklung hin zur Professionalität auszumachen: Das häufige Touren, das aktuelle Album, die hohe Internetpräsenz. Wie weit gehen die Ambitionen von Costa Cannabis, Chemokeule, Fikü, Mr. Bäm, Chris Chrawumm, Don Alfonso, Roberto Rosetti und Tröte?

„Ich glaube nicht, dass wir in dieses Chartding reinpassen. Unser Lied ‚Hängematte’ wäre bestimmt ein super Sommer Hit. Aber ich habe extra in den Refrain das Wort ‚Arsch’ reingebracht. Wir sagen ganz klar: Wir wollen nicht charten. Deshalb bieten wir die Platte auch im Onlineshop an. Da wird sie ja nicht mal gezählt. Geld verdienen und Rockstars werden – das muss auch ohne Charts gehen.“

Aktuelles Album: Von A Bis B (Bongo Records/BMG Rights)

Foto: Sandra Muequin

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