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MILLENCOLIN

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MILLENCOLIN

Millencolin waren Mitte der 90er Europas Antwort auf die Melodic-Punk-Welle, die aus den Staaten rüberschwappte. Neben den Songs von Bad Religion, NOFX oder Lagwagon gehörten die Alben der Schweden zum Bildungskanon für jeden anständigen Skater und jungen Punkrocker. Dass kaum jemand sie für Skandinavier, sondern vielmehr für eine kalifornische Band hielt, spricht für ihren damaligen Pionierstatus in Europa. Aus den Pionieren von einst sind längst professionelle Musiker geworden, die dieser Tage ihr achtes Album, „Machine 15“, veröffentlichen.

„Nach 15 Jahren Bandgeschichte fühlen wir uns wie eine gut geölte Maschine. ‚Machine 15’ steht sozusagen für ‚Millencolin Self-Titled’“, erklärt Sänger Nikola den Titel des neuen Albums und Gitarrist Mathias ergänzt lachend, „wir ballern halt geile Songs raus – wie eine Maschine. Außerdem ist das Leben als professioneller Musiker oft mit harter Arbeit verbunden, was viele uns nicht glauben. Klar ist das eine tolle Arbeit, Bier zu trinken und auf der Bühne zu stehen. Aber es ist hart, auch wenn heute natürlich vieles professioneller organisiert ist, als zu unseren Anfängen.“

Millencolin als Maschine? Vielleicht, aber auf jeden Fall eine Maschine mit Verstand und vor allem mit Herz. Mit einem „Burning Heart“ sozusagen, auf dem schwedischen Label sind Millencolin schließlich seit ihren Anfangstagen beheimatet. Die Anfänge und wie sich alles seitdem verändert hat ist eines der zentralen Themen auf „Machine 15“. Denn obwohl die Verbindung zu ihrer Plattenfirma konstant geblieben ist, hat sich das Koordinatensystem der Musikbranche komplett gewandelt.

„Das ist teilweise wirklich beängstigend. Seitdem viele Leute lieber illegal downloaden und unsere Alben nicht mehr kaufen, fragen wir uns, wie das wohl weitergehen wird. Musikmachen und davon leben, das ist das, was wir draufhaben und das, was wir wollen. Aber können wir das in Zukunft überhaupt noch? Im Moment geht es uns wirklich gut, aber mit diesem ganzen Downloading…das läuft in die falsche Richtung.“

Ehrliche Worte, die viele Musiker, gerade aus dem Punk-Bereich, scheuen. Über die Notwendigkeit, mit der eigenen Musik Geld verdienen zu müssen oder die Band eben Band sein zu lassen, wird hier normalerweise nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen.

„Als man noch keine Musik runterladen konnte, wurde die Musik auch gekauft. Da war es das den Leuten noch wert. Heute werden viele richtig wütend, wenn wir das Thema ansprechen. Aber illegales Downloaden ist durch nichts zu rechtfertigen. Wenn man sich was nicht leisten kann, dann kann man es auch nicht haben. So läuft das nun mal. Mit allen Dingen ist das so, nur nicht mit Musik, weil es eben diese Möglichkeit des Downloadens gibt.“

Auch Millencolin haben keine Patentrezepte zur Hand, um das Problem zu lösen. Von einem Kopierschutz auf CDs halten sie gar nichts. Am Bewusstsein der Konsumenten wird sich in naher Zeit aber auch nichts ändern. Was also tun?

„Die einzige Möglichkeit, die wir sehen, liegt darin, die Internet-Provider in die Verantwortung zu nehmen. Die profitieren ja davon und stellen den Downloadern diese riesigen Bandbreiten zur Verfügung. Vielleicht sollten die was an die Bands zahlen. Aber warum sollten sie das freiwillig tun?“

Bands, die einen Status wie Millencolin erreicht haben, stecken in einer Zwickmühle. Sie sind zu klein, um sich nicht um ihren Lebensunterhalt sorgen zu müssen, aber zu groß, um die Band wieder als Hobby zu betreiben.

„Mit 18 hätten wir einfach so aufhören können. Wir wären zur Schule gegangen und hätten eben irgendetwas anderes gemacht. Theoretisch ginge das natürlich immer noch, aber die Band ist schon seit Langem unser Beruf.“

Bliebe noch eine letzte Frage: Was macht eigentlich Leona, die Titelheldin eines der Tracks vom ersten Album? Nikola und Mathias müssen lachen.

„Leona? Die gibt es wirklich. Wir hatten damals unseren beschissensten Gig aller Zeiten. Vier Leute waren da. Danach wollten wir uns einfach in einem Club besaufen. Und an der Tür stand eine Frau, die so schön war, dass es uns umgehauen hat. Das war Leona. Als das Album rauskam, hat sie uns eine Postkarte geschrieben. Seitdem haben wir keinen Kontakt. Aber neulich hat uns jemand erzählt, dass es ihr gut geht.“

Aktuelles Album: Machine 15 (Burning Heart / SPV)



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