S.Fischer Verlag, 383 S., 19,99 EUR
An einer Stelle sagt der Autor Brussig, dass ein gutes Buch eines ist, bei dem viele Leser glauben, hier würde auch Ihre Geschichte erzählt. Insofern ist dies ein gutes Buch. Auch wenn es in einer ganz anderen Wirklichkeit spielt: hier löst nämlich die DDR in ihrem 65. Jahr dank Windstrom und Elektroautos das alte "überholen ohne einzuholen"-Versprechen ein. Was uns Erinnerungsrevoluzzern dann zwar auch nicht so richtig passt, aber die Reflexionen des (beinahe zufällig) zum Dissidenten gewordenen Autoren über die Seltsamkeiten der real existierenden BRD reißen doch zu recht den Schorf von manch schön verheilter Wunde. In der Tradition der "was wäre wenn"-Romane von Harris, Schmitt und Urban (die denn auch Erwähnung finden) entwickelt Brussig seine Parallelwelt(auto)biografie zwischen Seilspringwettkämpfen und Stasi, 2 Lebenslieben und 3 "babylonischen Versprechen", zwischen Dichtung und Wahrheit. Und das sehr lustig, aber auch nachdenklich machend, sehr pointiert und doch (selbst)kritisch, gut beobachtet und flott geschrieben. In meiner Welt hätte allerdings jemand anders als Kerschowski den Oppositionssoundtrack geliefert.