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MORITZ VON USLAR

Deutschboden - Eine teilnehmende Beobachtung

(Kiepenheuer & Witsch)

Es ist ein kühner Plan, den der Autor seinen Berliner Freunden bei Steak und Champagner schildert. Er will der Realität einer ostdeutschen Kleinstadt auf den Grund gehen. Drei Monate lang aussteigen, um eine Art wallraff‘sche Reportage, in der Sozialforschung „teilnehmende Beobachtung“ genannt, zu Papier zu bringen. Ein bohèmer Hauptstädter mit gesponsertem Fiat 500 auf dem Weg in die märkische Provinz, kaum eine Autostunde von Berlin entfernt. In nahezu fotografischer Beobachtung bebildert er den quasi exotischen Alltag zwischen Einkaufsstraße, Eckkneipe, Proberaum, Inhaber geführtem Einzelhandel oder Boxclub, den man nur mit den Augen des Fremden so detailliert wahrnehmen kann. Erstaunlich wie Uslar von seiner zunächst überheblichen, distinguierten Perspektive des Berliner Medienmilieus in den Sog dieser Kleinstadt gerät und letztlich sogar Begeisterung für die triste Normalität des Immergleichen empfindet. Mit Notizblock und Diktiergerät schlabbert er Bier um Bier am Tresen des „Gasthof Schröder“, immer im Bewusstsein, als Eindringling und Störenfried erkannt zu werden. Und so trinkt, labert, trainiert er mit, verliert aber letztlich doch nicht den Bezug zu seiner Herkunft. Aber Moritz von Uslar besitzt die Tapferkeit, Konsequenz und Reflektiertheit, um zu zeigen, dass Wirklichkeit immer jener Ort ist, der jenseits der Erwartung liegt. Und dabei verfügt er über eine Sprache, die auch noch das große Nichts - jene Tristesse und Schönheit um halb Eins nachts an der Tankstelle - zum Leuchten bringt.
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März 2011
FRITZ DRESSLER / LARS FISCHER
MORITZ VON USLAR
TIM BLANNING
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