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WELCOME TO THE JUNGLE

Kunsthalle Düsseldorf



Mit einer programmatischen Schau zu einem der relevantesten Themen unserer Zeit beschließt die Düsseldorfer Kunsthalle ihre vierteilige Ausstellungsreihe zum Jubiläumsjahr. Unter dem Titel Welcome to the Jungle widmen sich internationale Künstlerinnen und Künstler einer jüngeren Generation den virulenten Zukunftsfragen der Menschheit. Kritisch, reflektiert und oft mit Humor, aber ohne moralischen Fingerzeig, wird in Videoinstallationen, Performances, raumgreifenden Inszenierungen sowie ortsspezifischen Arbeiten auf jene Zustände und Paradoxien verwiesen, in die wir uns verstricken, während wir versuchen, das vermeintlich Richtige zu tun.

Oto Hudec, Concert for Adishi Glacier, 2017, Still image from HD video, Courtesy Gandy gallery
Unten: Laura Lima, Fumoir (cigars), 2009, Photo: lauralimastudio
Als Metapher steht der Dschungel einerseits für ein Terrain unkontrolliert wuchernder Strukturen, die unüberschaubar oder sogar bedrohlich empfunden werden können. Dieses Gefühl der Unsicherheit spitzt sich zu, wenn die scheinbar selbstverständliche zivilisatorische Grundordnung aufgrund prekärer Umstände ihre Verbindlichkeit verliert. Dann gilt das „Gesetz des Dschungels“, es herrscht somit das Recht des Stärkeren. Andererseits verbinden wir mit dem Dschungel die unberührte Natur, die umgekehrt durch die Zivilisation in ihrer quasi-paradiesischen Existenz bedroht wird. Die Dschungelmetapher zeigt somit einen grundlegenden Zwiespalt auf, wie Menschen ordnendes Eingreifen, verbindliche Normen und Herrschaftsformen – insbesondere im Verhältnis zur Natur – bewerten.
Die zwiespältige Faszination, die vom Dschungel ausgeht, findet man in Rudyard Kiplings Dschungelbuch wie auch in dem Fernsehformat Dschungelcamp sehr konkret thematisiert. Hier dient der Dschungel als kontrastierende Vorlage für eine Apologie der zivilisatorischen Ordnung. So lernt der junge Mowgli, sich die Natur untertan zu machen und kehrt am Ende zu den Menschen zurück, genauso wie der Dschungelkönig, der sich nach dem tragisch-komischen Erdulden archaischer Lebensbedingungen, über seine Rückkehr in geordnete Verhältnisse freuen darf. Hier führen die Geschichten konsequent in das Happy End, weil die richtige Entscheidung im Rahmen eines festgefügten Weltbildes samt seiner moralischen Quintessenz unanfechtbar und logisch ableitbar erscheint. Auf gesellschaftlicher wie auch ökologischer Ebene lässt sich die Dschungelmetapher systematisch weiterführen, um die Befindlichkeit unserer modernen globalisierten Welt zu beschreiben. Genau hier setzt die Düsseldorfer Ausstellung an: Es geht nicht mehr allein um die Frage, ob man sich für die richtige Handlungsoption – für eine gerechte Gesellschaft und eine intakte Umwelt – entscheidet, sondern es wird grundsätzlich die Möglichkeit der Begründbarkeit des individuellen oder kollektiven Handelns, seiner Folgen und weltanschaulichen Motivation infrage gestellt. Auf dieser argumentativen Basis gibt es aber keine einfachen Antworten und Lösungen mehr. Denn angesichts der Informationsdichte, die dschungelartige Ausmaße angenommen hat, verliert das Individuum seine Orientierung und kann sich keiner verbindlichen Maßstäbe sicher sein. Heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen gescheiterter Welterklärungsmodelle. Gesellschaftliche wie auch individuelle Fragen sind von der Erosion vermeintlich universeller Theorien des Handelns betroffen. Die Ursache für dieses Problem – und zugleich für das zunehmende Bewusstsein ihrer Existenz – liegt wesentlich im rasanten Fortschritt der Informationstechnologien und der Zunahme der Abhängigkeiten zwischen den weltweit agierenden Akteuren. Mit jeder neuen Information über Zusammenhänge und Abhängigkeiten steigt die Komplexität der Entscheidungsfindung, während wir sie mit veralteten Strategien aufzulösen suchen. Im schlimmsten Fall tritt das ein, was der Zukunftsforscher Alvin Toffler unter einem ´Zukunfts-schock´ verstanden hat: die Lähmung von Individuen und Gesellschaften, wenn sie in zu kurzer Zeit zu großen Veränderungen ausgesetzt sind. Der Dschungel ist somit auch Sinnbild für die heutige Orientierungslosigkeit und Überforderung, ein Ort, an dem keine Richtung vielversprechender aussieht als die Andere. Jede neue Position scheint eine beliebige aus den bereits verfügbaren Möglichkeiten. Für den Einzelnen bleibt allerdings das Dilemma: Messe ich mich an einem hypothetischen Erfolg meiner Entscheidungen und Ergebnisse oder können Haltung, Intention und Integrität innerhalb meiner individuellen Lebensumstände weiterhin gültige Maßstäbe sein? Im Fokus der Düsseldorfer Ausstellung stehen künstlerische Arbeiten, die das Bewusstsein für diese Zustände und Prozesse, Paradoxien und Widersprüche im alltäglichen Dschungel von Informationen, Weisheiten, Halbwahrheiten, Vorurteilen und Vorschriften schärfen. Es geht den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern weniger darum, einen konkreten Weg vorzugeben oder ein apokalyptisches Bild zu zeichnen, als dass sie vielmehr die Realitäten des Dschungels ernsthaft und mit Hingabe erkunden und den Betrachter letztlich in einer ermutigenden und humorvollen Atmosphäre animieren, Fragen zu vertiefen und neue Zugänge oder poetische wie absurde Wege zu erproben. Mit Arbeiten von Jonathas de Andrade, Kristina Buch, Oto Hudec, Laura Lima, Cinthia Marcelle, Mario Pfeifer, Liu Shiyuan sowie Kota Takeuchi und Alvaro Urbano. Till Barz Welcome to the Jungle (03.03.-21.05.2018) Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4 Di-So, Feiertage: 11-18 Uhr Jeden 2. Sonntag im Monat: Familientag bei freiem Eintritt. Tel. +49 (0)211 - 89 962 40 Info: kunsthalle-duesseldorf.de


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