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CHICKS ON SPEED

Das Berliner Dreigestirn

CHICKS ON SPEED

Die Geschichte der heiligen musikalischen Dreifaltigkeit ist als Phänomen schon in den Anfangstagen der modernen Popmusik zu erkennen. Auch wenn viele Formationen vordergründig als Vierer-Kombinationen auftraten, bestanden die Keimzellen doch meistens aus drei Personen. Über die Jahre zeigen dann oft Besetzungswechsel, wo des Pudels Kern liegt. Die Stones bestehen eigentlich aus den Herren Jagger, Richards und Watts, Pink Floyds Essenz heißt Gilmore, Mason, Wright, Metallica lassen sich auf Hetfield, Ulrich und Hammet reduzieren, von den Fantastischen Vier sind eigentlich nur drei wirklich fantastisch und Take That waren die magische Kombination von Gary Barlow, Robbie Williams und Mark Owens. Der letzte geschichtsschreibende Dreier sind nach Meinung der führenden Musikologen die Beastie Boys. Hier wird die dreigeteilte Einheit aus Vater, Sohn und Heiliger Geist fast in Reinkultur personifiziert. Jeder ist als Musiker Individuum, doch als MCs sind sie Facetten einer höheren Einheit.

Seit 1997 reift jedoch in unseren Landen die Wachablösung dieser alttestamentarischen Männerdomäne heran. Und das nicht nur auf künstlerischer und ästhetischer Ebene, sondern auch als Symptom der steten Veränderung des Geschlechterverhältnisses. Denn die Chicks On Speed sind Frauen!
Gesucht und gefunden haben sich die Heiligen Hühner an der Münchener Kunstakademie. Die australische Schmuckdesignerin Alex Leslie-Murray war zu ihrem Lieblingsprofessor gepilgert, der Amerikanerin Melissa Logan gefiel einfach das Flair der Hochschule und die Berlinerin Kiki Moorse war Visagistin. Allen dreien ist gemein, dass sie schnell von sich wiederholenden Strukturen gelangweilt sind, was offensichtlich besonders in einer Stadt wie München nur schwer zu vermeiden ist.
„Uns wurde schnell klar, dass man als Künstler auch nur auf seinen eigenen Stil reduziert wird, denn schließlich muss man Werke schaffen, die Galeristen oder Käufer interessieren. Wir wollen aber keinen definierbaren Stil entwickeln, sondern uns ständig weiterentwickeln – auch in Richtungen, die nicht jeder nachvollziehen kann. Also gründeten wir eine fiktive Band. Wir traten auf und taten so, als würden wir Platten aufnehmen, aber wir warfen nur Vinyls zu eigenem Cut Up Playback hin und her.“

Zeuge einer solchen Performance war damals auch Tobi Neumann, der die drei sofort überredete, ihre Darbietungen aus selbstgemachter Mode und musikalischem Dilletantismus mit eigenen Produktionen umzusetzen. Als Mann hinter dem Sound der Chicks gehört Neumann noch heute zum festen COS Inventar, das durch jahrelange Expansion und Umsiedlung nach Berlin um die Herren Potuznik und Bauer (Wien) und Vogel und Vainio (Barcelona) erweitert wurde.
Ihr mittlerweile drittes Album ist wie die Chicks selbst ein Gesamtkunstwerk, dominiert vom Konzept der Cheap Art. Kunst als Masseware soll in Form eines Massenprodukts nicht nur Galeriebesucher erreichen, sondern auch den Pro Markt Kunden. Nur konsequent, dass die CD sich auch preislich an dieser Idee messen lassen muss und für schlappe € 9,99 zu haben sein wird.
Ein Umstand, der den neuen Partner EMI bestimmt besonders gefreut haben wird. Erst muss man viel Geld auf den Tisch legen, um die Chicks im Boot zu haben und dann wird die Platte auch noch verramscht. Da COS ihr eigenes Label betreiben, liegt der Gang zum Medienkonzern nicht unbedingt auf der Hand.
„Einerseits können wir so einfach viel mehr Leute erreichen, andererseits wollen wir unbedingt die Erfahrung machen, wie es ist, eine Platte bei einer großen Plattenfirma rauszubringen, bevor es die in ein paar Jahren alle nicht mehr gibt. Wenn wir uns ansehen, wie die arbeiten, wundert es uns nicht, dass die ganzen Majors immer mehr abkacken.“

„99 Cents“ (Chicks On Speed Records/Labels/EMI)
Weitere Infos: › www.chicksonspeed.com Foto: Tina Winklehaus

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