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DESTROYER

Gezähmte Vielfalt

DESTROYER

Destroyer lautet der Name des Künstlers und „Kaputt“ ist der Titel seines nunmehr neunten Soloalbums. Hört sich schwer nach wüstem Metal an. Zerstört und macht kaputt. Doch nichts dergleichen. Destroyer ist Dan Bejar aus dem kanadischen Vancouver. Und kaputt gemacht wird hier gar nichts.

Ausgefuchste Arrangements

„’Kaputt’ ist nicht mehr als eine phonetische Spielerei“, erklärt Dan Bejar, „ich bin des Deutschen überhaupt nicht mächtig. So war mir die mögliche Beziehung zwischen Destroyer und ‚Kaputt’ auch gar nicht bewusst. Bei einem Freund von mir lag ein Buch mit dem Titel ‚Kaputt’ rum. Das ist alles.“

Hier wird eher an einem opulenten und lyrischen Opus gewerkelt. Einem voller fantastischer Flöten, Trompeten und Saxofone. Auch folkig angehauchte, akustische Klängen schwingen fast bei jedem Stück mit. Dabei schleicht sich immer wieder eine weitere Stimme an die von Dan Bejar, der schmusende, manchmal dramatische Gesang der Gospel-Sängerin Sibel Trashers. Alles zusammen zieht man manchmal weit in Richtung schmalzige Schnulze, um dann kurz vor der endgültigen Kitschklippe von einer Sperrfeuer schießenden Bratgitarre zurückgeholt zu werden auf den Weg der Kunst. Trotz der hoch differenzierten und ausgefuchsten Arrangements von Dan Bejar klingt die Platte eigenwillig schräg. Er scheint mit einem riesigen Einkaufskorb losgezogen zu sein und dort wild und ungeplant die Regale der Musikgeschichte geplündert. Zum Schluss hatte er offensichtlich die pure Vielfalt zur Verfügung. Von Blues, Acid-Jazz über Singer/Songwriter hin zu Elektro-, Glam- und New-Wave-Einflüssen. Der Breite des eigenen Klangs zollt Dan Bejar im Titelstück Respekt, indem er seine Lieblingsmusikblätter über die Zeit aufzählt:

„Sounds, Smash Hits, Melody Maker and NME all sound like a dream to me.“

Diese wirren und ungezügelten Klänge können nur durch diese verwegenen Arrangements gezähmt werden. Seinen poetischen, entspannt mantraartig vorgetragenen Versen jedenfalls stehen sie gut zu Gesicht.



Überraschung als Konzept

Die Arbeitsweise, die Dan Bejar bei „Kaputt“ an Tag legt unterscheidet sich deutlich von der an den Vorgängeralben.

„Vom Konzept habe ich die Stücke für das Album komplett fertig gemacht“, erklärt er, „dann habe ich sie aus der Hand gegeben. An die Musiker. Unter einer Bedingung, es sollte keinerlei wilden Soli geben. Aber ansonsten kämpfen die Instrumente nach den Regeln der Jazz-Improvisation. Habe mich dann hinter die Musiker gestellt und sie machen lassen. Ganz ohne weitere Führung habe ich zugehört, welchen Weg die Stücke nehmen. Oft war ich überrascht. Aber immer positiv.“

Zwei Jahre hat es insgesamt gedauert, bis alles im Kasten war. Dan Bejar war dabei Gastmusiker und kreativer Chefdenker gleichzeitig. Am Ende atmen diese fülligen Arrangements den runtergerechneten, direkten Charme der gesamten Musikstile, die er sich zunutze macht. Er stürmt diese Stilbilder für die Ohren und errichtet aber mit seinen Liedern auf deren Fundamente nicht wirklich neue. Und doch setzen diese aktuellen Nichtbilder Maßstäbe in Sachen Originalität, musikalischem Einfallsreichtum und Groovekunst. Grenzen, ganz egal, ob formale oder kreative interessieren Dan Bejar nun gar nicht. Wenn es ein muss, darf ein Stück auch schon mal länger als acht Minuten sein, etwa „Suicide Demo for Kara Walker“ oder das Schlussstück „Bay of Pigs“, das gleich mit über elf Minuten aufwartet.

Die Platte ´Kaputt´ klingt konsequent, lustig, tragisch, künstlich und gleichzeitig wahrhaftig. Die Kompositionen pendeln zwischen Tanzdiele und klassischem Konzertsaal. Zwischen verrauchten Jazzclub und schmierigem Rockschuppen. Dan Bejars Stücke sind fragil und stabil zugleich. Er vereint nicht nur die Vielfalt, er vermählt auch die Gegensätze. Und live soll das auch ansprechend umgesetzt werden. Dazu wird der kanadische Wuschelkopf in diesem Jahr mit einem neunköpfigen Orchester auf Tour gehen und im August unter anderem beim Haldern Pop Station machen.

Aktuelles Album: Kaputt (Dead Oceans / Cargo)



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