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Counting Crows

Rückkehr zu alter Stärke

Counting Crows

Ein bisschen seltsam war es ja schon: Da spielten Counting Crows im Mai die wohl längste Deutschland-Tournee ihrer gesamten Karriere – und taten das vor dem "falschen" Publikum. Denn weder bei den Pfingstfestivals Rock am Ring / Rock im Park noch im Vorprogramm von Santana in den größten Venues der Republik schienen Adam Duritz und Co. so richtig gut aufgehoben zu sein. Das sagt natürlich noch nichts über die musikalische Qualität aus, denn da gab es einmal mehr nichts zu meckern. Nun gut, für manche Ohren mögen die sechs Herren etwas zu mainstreamig klingen, und für andere verkörpern sie zu sehr die "all-american band", aber wer auf zeitlos gute Rocksongs mit viel poppigem Ohrwurmfeeling steht, wird bekanntlich von der Band von der US-Westküste bestens bedient.

Denn gerade auf der "Aufwärmtour" für das dieser Tage erscheinende vierte Studio-Album "Hard Candy" beschränkte sich das Sextett auf’s Wesentliche, sprich die Songs der neuen Platte, die beispielsweise bei "American Girls" das hymnische Flair ihrer Frühwerke erreichen, und die Klassiker à la "Mr. Jones" und "Round Here". Dass Adam und seine Gang die beiden dazwischen liegenden, kommerziell eher unbedeutenden Alben (fast) komplett ignorierten, spricht dabei nicht für Unausgewogenheit, sondern vielmehr für die gute Selbsteinschätzung der Band. Denn "Hard Candy" kann zwar auch nicht ganz an das sensationelle Debut "August And Everything After" von 1993 anknüpfen, aber trotzdem haben es die Crows mit nur vier Alben geschafft, sich so eine eigene Nische freizuräumen, dass man fast froh ist, wenn sie sich nicht allzu sehr verändern. Denn obwohl sie auf dem neuen Album nur konsequent das fortsetzen, was wir schon vom Vorgänger "The Desert Life" kennen - durchdachtes Songwriting, ausgefeilte Arrangements, hörbare Spielfreude –, würde wohl niemand auf die Idee kommen, den Amerikanern das zum Vorwurf zu machen. "Ich sehe das Album nicht als typisch amerikanische Platte", meinte Adam Duritz, Sänger und Mastermind der Band beim WESTZEIT-Interview im edlen Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten. "Es gibt darauf ja auch einen Song wie ‚Holiday In Spain’, und trotzdem ist es keine spanische Platte. Das sind ganz einfach Orte, die ich auf Tour gesehen habe. Für mich ist unsere Musik nicht amerikanischer als zum Beispiel die der Rolling Stones, die ja auch unglaublich vom Delta-Blues beeinflusst waren. Trotzdem sind sie eine britische Band. Die Musikmagazine, die ich lese, sind [die englischen] Q, Uncut und Mojo."

Kein Wunder also, dass sich Adam wie ein kleines Kind gefreut hat, als er hörte, seine Band sei ausgerechnet von der britischen Legende The Who eingeladen worden, im Sommer deren Supportact zu machen. "Mit The Who zu spielen wird das Größte sein. Trotzdem: Wir werden auf der Tournee das machen, was wir jeden Abend machen: rausgehen und spielen. Wir erwarten nicht, dass wir The Who etwas vormachen können. Wir spielen, und wenn wir fertig sind, kann ich mir The Who anschauen, und zwischendurch werde ich mit ihnen rumhängen, mit Roger [Daltrey], mit Pete [Townshend], mit John [Entwistle] und natürlich mit Zak [Starkey, dem Neuschlagzeuger von The Who und Ringo Starrs Sohn]! Hoffentlich kommt Zaks Dad zur Show in Los Angeles, dort wohnt er nämlich jetzt. Wir werden uns vom ersten Tag an bei Zak einschleimen. ‚Du bist ein großartiger Schlagzeuger, ganz ehrlich… ist da drüben dein Vater?’ Ob wir ihn wohl Richard oder Ringo nennen sollen?"

Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass die Crows mit einer Ikone der Rockmusik zusammen auf Tournee gegangen sind. 1994 luden The Rolling Stones die damals noch längst nicht etablierten Crows ein, einige ausgesuchte Shows der "Voodoo Lounge"-Tournee zu eröffnen, und richteten sich dabei sogar nach den Terminwünschen von Adam und Co., die zeitgleich nämlich schon eine eigene Tour gebucht hatten, die sie nicht absagen wollten. Doch damit nicht genug: "Die Stones haben uns eine Menge darüber beigebracht, wie man mit einer Vorgruppe umgehen sollte, und das beherzigen wir heute auch selbst, wenn wir andere Acts mit auf die Reise nehmen. Wir waren damals nicht nur in den Umkleideräumen der Stones willkommen, sie haben sogar nach uns gesucht, wenn wir mal nicht von uns aus aufgetaucht sind. Typen wie die Stones müssten eigentlich gar nicht so cool sein, damit man sie großartig findet, aber sie sind’s trotzdem."

Adam ist zwar der unbestrittene Kopf der Counting Crows, dennoch nennt er die Band auch seine Verwandten. Weshalb er auch nur ungern an die Zeit zurückdenkt, in der der Bruch mit dem ersten Schlagzeuger Steve Bowman unausweichlich war. "Es ist wirklich so etwas wie eine Familie. Wir sind nicht die besten Freunde, weil wir uns dafür fast schon zu nahe stehen. Wir sind wie Brüder: Wir hassen uns manchmal, wir sind eifersüchtig aufeinander, aber letztendlich sind wir doch immer füreinander da. Natürlich hat es mich genervt, dass Bowman nichts auf die Reihe gekriegt hat, aber ihn aus der Band zu werfen bedeutete, vielleicht sein Leben zu ruinieren. Ich wollte so etwas nie tun, ich wollte aber auch kein schlechter Bandleader sein und jemanden mitschleifen, der sich um nichts kümmert. Trotzdem war es nicht meine Entscheidung, sie kam von der ganzen Band. Also haben wir uns alle getroffen und ich sollte das Gespräch anfangen und die anderen sollten mich unterstützen – aber niemand sagte ein Wort, und letztendlich blieb wieder alles an mir hängen. Das war die schlimmste Erfahrung meines ganzen Lebens!"

Aktuelles Album: "Hard Candy" (Geffen/Motor Music/Universal)



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