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MISSION OF BURMA

Im Jurassic Park des Post Punk

MISSION OF BURMA

Dem Phänomen Mission Of Burma sollte man sich mit Respekt und Sorgfalt nähern. Denn ohne die Bostoner Band wären wir alle nicht das, was wir sind. Auch, wenn wir vielleicht noch nie ein Stück von ihnen gehört haben, sind wir dennoch Kinder dessen, was damals Ende der 70er an der amerikanischen Ostküste geschah. Denn Mission Of Burma sind die Kraftwerk des Alternative Rock.

Schauen wir also erst einmal behutsam von außen auf die Szene, in der sich Roger Miller, Peter Prescott und Clint Conley zusammenfanden, um Rockmusik um die entscheidende Mutation voranzubringen. Boston war schon damals kein unbeschriebenes Blatt in der amerikanischen Musikhistorie. Eine der schmierigsten Stadionbands des Landes hatte sich des Stadtnamens bemächtigt, Aerosmith waren dagegen eher die kernigen Jungs und Donna Summer trug die Krone der Discoqueen. Ein Milieu also voll großer Gesten. Auf der anderen Seite gab es natürlich auch in Boston den Punk Underground, der in den frühen Achtzigern sein US-Epizentrum in Los Angeles hatte. Heute legendär der Szene-Sampler „This Is Boston, Not L.A.“, der anschaulich verdeutlichte, dass es bei Bostoner Bands wie z.B. Jerry’s Kids eine Spur primitiver zuging, als bei der kalifornischen Konkurrenz.
In diesem Spannungsfeld der Extreme lösten 1979 Roger Miller und Clint Conley ihre Band Moving Parts auf und wurden mit Peter Prescott von The Molls zu einer neuen M-Band: Mission Of Burma. Wenig später fing ihr Soundman Martin Swope während eines Konzerts an, einzelne Instrumente aufzunehmen und daraus Loops zusammenzuschneiden, die er dann wieder dem Bandsound zumischte. So entstand der typische X-Faktor des Burma-Sounds. Schnell wurden MOB zu einer festen Größe in der lokalen Musikszene, obwohl ihre Konzerte dem Publikum einiges abverlangten. Erstens war es immer brutal laut, was für die Band und Fans gleichermaßen anstrengend war. Doch für die physische Wirkung ihrer Musik schien das unerlässlich. Zweitens galten sie als extrem schwierig. Ihre Songs waren nur auf den ersten Blick Punk Rock. Doch hinter dieser rohen Fassade wurde immer wieder um-, auf-, ab- und neugebaut. Und es waren nicht nur die elektronischen Verfremdungen, die einen gewissen Aufwand nötig machten, um der Band zu folgen. Roger Millers Texte wirkten zwar vordergründig wie altbekannte Punk-Parolen („That’s When I Reach For My Revolver“), ließen jedoch eine weit differenziertere Weltsicht erkennen, als sie in der Gemeinschaft der Jungen Wilden üblich war. Anfang der 80er galt deshalb in Boston die Faustregel, dass man Mission Of Burma mindestens drei Mal gesehen haben musste, um überhaupt zu verstehen, worum es ging.

Viele haben die entscheidende dritte Chance nie bekommen, denn nach einer EP und einem Album musste sich Roger Millers Gehör 1983 geschlagen geben. Sein Tinnitus war so stark geworden, dass er sich nur noch zwischen Verzicht auf Konzerte oder baldiger Ertaubung entscheiden konnte. Die Abschiedstour mit P.I.L. überstand er nur mit Ohrenschützern, wie sie von Schützen verwendet werden.
19 Jahre später standen Mission Of Burma zum ersten Mal wieder gemeinsam auf der Bühne. Die Magie, die Roger, Peter und Clint einst zu Sehern machte, war immer noch spürbar. Von allen Seiten wurde diese Reunion begeistert unterstützt. Vor allem von Shellac, die MOB noch in diesem Jahr zum von ihnen kuratierten „All Tomorrow’s Parties“ Festival einluden. Shellacs Bob Weston war es dann auch, der für Martin Swope die Tape Manipulations übernahm und mittlerweile fest zur Band gehört. Um zu testen, ob man sie überhaupt wiedersehen wollte, planten sie eine Show in Boston und eine New York. Es wurden vier ausverkaufte Abende in der Heimat und zwei in NYC. Natürlich wird alles getan, um Rogers Gehör zu schützen – keine Monitore, Lärmschutz und Plexiglas machten die Konzerte für ihn erträglich. Die Gleichung, die für Mission Of Burma 20 Jahre nicht aufging, schien endlich lösbar zu sein. Eine der zu Unrecht unterbewertetsten Bands durfte nun das vollenden, wozu man damals angetreten war.
MOB fingen an neue Songs zu schreiben, die sich live homogen in die alten Stücke einfügten. Matador signte die Band und veröffentlicht diesen Monat das zweite Album von Mission Of Burma – 22 Jahre nach dem ersten.

Ohne diese Geschichte mag „ONoffON“ anachronistisch klingen. Auch 22 Jahre nach „Vs.“ sind MOB keine Virtuosen und haben auch sonst wenig mit den aktuellen Entwicklungen des US-Undergrounds gemein. Doch die Stimmung ihrer Songs wirkt auch heute noch authentisch und zeugt von der unstillbaren Überzeugung, noch was zu sagen zu haben. Und das mit 50!

Aktuelles Album: ONoffON (Matador/Beggars Group/Indigo)
Weitere Infos: › www.missionofburma.com

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