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SAIL BY SUMMER

Roadtrip

SAIL BY SUMMER

Skandinavien. Berge, Wälder, Seen und Fjorde wohin man schaut. Bunt angemalte Häuser und atemberaubende Nordlichter – eine Postkartenlandschaft. In Zeiten von Social Media und allen voran der Google-Bildersuche muss man weder in Norwegen, Schweden oder Dänemark gewesen sein, um sich auch nur halbwegs vorstellen zu können, wie die dortige Landschaft geprägt ist.

In Skandinavien treffen Kultur, Tradition und Innovation aufeinander. Die größte Halbinsel Europas bietet mehr als günstige Möbel, Fischbrötchen und Metalbands: Faszinierend komplizierte Sprachen, von Gletschermassen geprägte Hügellandschaften, kilometerlange steile Felswände und Moränen – so schön, dass Locationscouts für Filme und Serien wohl nur selten nicht fündig werden: Harry Potter, Star Wars, Game Of Thrones und etliche mehr wurden hier zumindest teilweise gedreht. Die Länder sind eine Hochburg an spektakulärer Schönheit und ebendiese vertonen Sail By Summer auf ihrem neuen Album ´Casual Heaven´.

Sänger – und obendrein Grammy-Gewinner und ehemaliges Mitglied der Band Poor Rich Ones – William Hut und Keyboarder Jens Kristian nehmen uns dabei mit auf einen musikalischen Roadtrip durch die nordische Landschaft. ´Casual Heaven´ fühlt sich an wie eine warme Einladung, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen und die Aussicht in vollen Zügen zu genießen.

´Fetch You A Rose´ erklingt; zunächst mit Vogelgezwitscher, welches sich durch die unglaublich beruhigende Stimme von William Hut und Jens Kristians zurückhaltenden Melodien jedoch schnell zu verträumten Indie-Rock entwickelt. Der Song ist wie der vertonte Sonnenaufgang eines Tages, der Spannung verspricht. Im nachfolgenden ´Facing Dullness´ ist die Welt dann erwacht, die Sinne geschärft und Körper und Geist bereit für Abenteuer. Musikalisch wird es modern und poppig mit wunderschönen einfachen und vor allem eingängigen Melodien. Das Duo schreitet energisch voran, möchte scheinbar Berge erklimmen, durch Wälder wandern und in Seen schwimmen.

Lange hält das jedoch nicht an, denn schon in ´The Overcast´ wird die Energie nicht mehr ganz so großzügig freigelassen. Im mit viereinhalb Minuten längsten Song auf „Casual Heaven“ beginnen Hut und Kristian, sich wieder mehr von der Musik treiben zu lassen. Mit ausschweifenden Instrumentalparts lassen sie vieles unkommentiert. Wie atemberaubende Landschaften für sich sprechen können und keinen ständigen Kommentator brauchen, so wissen auch die Musiker, dass Gesang manchmal eben nicht von Nöten ist.

Und so geht die Fahrt auch in ´Corner Kid´ und ´Low Tide Exit´ stetig weiter. Die Songs überzeugen, weil sie simpel sind, dabei allerdings nicht schlicht. Bei jedem Durchhören finden wir neue, interessante Elemente und versteckte Melodien, Harmonien und Figuren, die trotz ihrer vielen Schichten nicht überladen wirken. Wir werden ganz ruhig und möchten einfach nur zuhören. Nichts sagen oder uns auf etwas anderes einlassen, um ja nichts zu verpassen. Als würden wir durch ein Gebirge fahren und könnten den Blick nicht von den schneebedeckten Gipfeln lassen oder vom Licht, das auf den Seen im Tal glitzert.

Doch so vielseitig die Landschaft Skandinaviens ist, so sind es auch Sail By Summer auf. Mit ´Low Low Low´ haben die Herren einen verspielten Ohrwurm kreiert: Mehrstimmig und trotz Midtempo straight forward – perfekt um wieder zu bemerken, dass wir nicht allein im Auto unterwegs sind. Wir singen uns die angestaute Spannung aus dem Leib und fahren zum dunkleren, modernen ´Invisible´ durch pittoreske Städte bis die Müdigkeit einsetzt.

„Lower your voice if your heart sings“ singt Hut auf in ´Lower Your Voice´ – repetitiv und beruhigend, fast wie ein Gutenachtlied. Wir fallen in eine Trance aus der wir erst wieder erwachen, wenn wir schon mitten im Wald sind: ´I Can’t Rely On My Memories´ erklingt zum Schluss und obwohl die Musiker hier auf jeglichen Gesang verzichten, erschaffen sie den bemerkenswertesten Song des gesamten Albums. Es ist ein atmosphärisches Grundrauschen, hin und wieder nur von zwei kurzen hohen Tönen durchbrochen. Genau so muss es klingen, wenn sich das Licht seinen Weg durch die Blätter und Zweige dichtstehender Bäume sucht. Es ist ein großartiger Abschluss dieses skandinavischen Landschaft-Soundtracks.

Aktuelles Album: Casual Heaven (Apollon Records)



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