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BONAPARTE

New York, Rio, Tokyo

BONAPARTE

Wenn Bands nach mehreren Albumveröffentlichungen die kommende lapidar mit dem eigenen Bandnamen betiteln, weiß man, oh, das ist etwas im Busch. Das ist beim neuen Bonaparte-Album der Fall.

Das Ende der Berlin-Triologie

Der in Berlin lebende Schweizer Tobias Jundt ist Dompteur und Direktor des Zirkus Bonaparte, jenem wild-verrückte Haufen von expressiv und exaltiert Musikern, schrill kostümierten Tänzerinnen, halb Nackten und Menschen in Tierverkleidungen. Dabei ist Tobias Jundt in die Mangel des höher, schneller, weiter geraten. Die Bühnen werden größer. Und neben den anfangs kleinen Klitschen stehen nunmehr große Hallen auf dem Programm. Und Die Ärzte geben schon mal die Vorband. Dann stehen plötzlich New York, Rio, Tokyo auf dem Reiseplan. Okay, Rio nicht, Südamerika ist gerade im Fußball-Fieber. Aber der Rest stimmt und New York ist dabei ein ganz besonders Stichwort.

„Ich musste hier mal raus aus Berlin“, gesteht Tobias Jundt, „also raus, in dem Sinne, dass ich mich aus meiner eigenen Komfortzone raus begebe. Die Berlin-Trilogie aus ‚Too Much’, ‚My Horse Likes You’ und ‚Sorry, We're Open’ war abgeschlossen. Ich wollte mich wieder zwingen, auch die kleinen und spontanen Dinge zu tun, denn die sind wichtig, da liegt der Kern der Musik.“

Dazu verabschiedet sich Tobias Jundt nach New York. Mit kleinem Gepäck, bestehend aus alten Gibson-aus der Frühzeit der Beatmusik Kalamazoo-Gitarre und einem kleinen Synthesizer zieht er los. Und landet in Brooklyn. Irgendwo an der Peripherie zu Williamsburg. Eine Ecke, wo ihn keiner kennt. Wo es aber doch brodelt.

„So kann es dir passieren, dass dir an einer Straßenecke plötzlich Ex-Punker Richard Hell gegenüber steht oder sonst eine spannende Persönlichkeit dich anspricht.“



Die verspielt-naive Unbekümmertheit

So durchstreift Tobias Jundt die Straßen nach Eindrücken und bleibt auf der Suche zurück zu sich und seinen Liedern. Zu ihrer verspielt-naive Unbekümmertheit. Dazu verordnet er sich auch live eine Diät.

„Ich habe mir in New York einen kleinen Club gesucht, das Pianos in der 158 Ludlow Street in Manhattans Lower East Side“, blickt Tobias Jundt zurück, „und mich dort durchgekämpft. Versteckt hinter meinem schwarz umrandeten Bonaparte-Auge und behütet von meinem Halb-Kuh-Halb-Pferd-Hut. Erst oben, wo es noch nicht mal eine Bühne gab. Da standen lediglich ein abgegranztes Mikrofon und krachige Verstärker.“

Schnell aber liegen ihm die Menschen dort zu Füßen. Genießen - genauso, wie er selbst - die neue alte Einfachheit seiner Lieder. Es dauert auch nicht lange, bis Tobias Jundt runter in den Saal darf. Und sich Gäste einlädt, etwa Tim Fite oder The Everymen, Bedfellows und die finnischen Elektro-Rocker K-X-P. Tim Fite, der sich gern auch mal Hip-Hop-Psychologe nennen lässt findet auch den Weg ins Williamsburger Studio, wo Tobias Jundt schließlich unter der Anleitung Andy Baldwin an der neuen Bonaparte-Platte arbeitet, die eben den schlichten Titel ´Bonaparte´ trägt. Andy Baldwin hat unter anderm Björks ´Biophilia´ veredelt.

„Es war einfach erfrischend, zu erleben, dass ich zu mir, zu meiner Ursprünglichkeit zurückgefunden habe. Das Studio wurde übrigens -Gentrifizierung sei Dank- gleich nach Abschluss unserer Aufnahmearbeiten abgerissen.“



Das Album strotzt nur so von wunderbarer Garagen-Rock-Rotzigkeit. Tobias Jundt neuer Bonaparte beweist einmal mehr, was reduzierte, lautere Kreativität an explosiver Kraft freizusetzen vermag. Die besagte Kalamazoo-Gitarre, geschickt inszenierte Schlagzeug-Spuren des genialen New Yorker Schlagzeugers Christopher ´PowPow´ Powell und ein paar Synthesizer-Tupfer -mehr braucht es nicht, um auf ganzer Linie zu entzücken. Doch es gibt in Sachen Tobias Jundt/Bonaparte noch etwas anderes zu vermelden. Der stets von Reise- und Entdeckungslust getriebene Kerl hat mit tollen Filmemachern auf der ganzen Welt spleenige Videoclips zu seinen neuen Liedern gedreht, etwa in Shanghai zum Stück ´Into The Wild´, in Havanna zum Lied ´Wash Your Thighs´ oder in einem Wald in der Nähe von Austin in Texas, der Schauplatz für das Video ´Two Girls´ wird. Dieses Mal ist es also bei Tobias Jundt/Bonaparte nicht nur angeraten hinzuhören, bitte dringend auch hinschauen!

Aktuelles Album: Bonaparte (Staatsakt / Warner Music)

Foto: Dennis Lo Designs

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